Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 1
1977 - 1981
"Die Firma Fidelity Electronics wurde 1959 gegründet und war damals noch in Chicago, Illinois beheimatet (später: Miami/Florida). Am Anfang wurden Hörgeräte der Fa. Viennatone aus Österreich importiert sowie verschiedene medizinische Artikel produziert. 1968 nahm Sid Samole als Abteilungsleiter seine Tätigkeit bei Fidelity auf. 1970 wurde er durch den Kauf sämtlicher Anteile Alleininhaber der Firma. Wie es der Zufall so will, sah sich Samole 1976 zu Hause eine Folge der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" an, in der Mister Spock eine Schachpartie gegen den Bordcomputer austrug. Dieser Umstand faszinierte ihn so sehr, dass er die ganze Nacht darüber nachdachte, ob so ein Gerät auch für den Hausgebrauch hergestellt werden könnte.
Am nächsten Morgen sprach er mit seiner Sekretärin darüber und diese erzählte ihm, dass ihr Lebensgefährte in seiner Freizeit an einem Schachprogramm arbeite. Der Mann wurde daraufhin natürlich sofort engagiert. Sein Name: Ronald Nelson. Dieser schrieb dann in der Folgezeit auch sämtliche Schachprogramme für die ersten Geräte. In den Folgejahren zeichnete sich Nelson dann als Hardware-Experte bei Fidelity aus.
Im Januar 1977 war es endlich soweit. Der allererste Micro-Schachcomputer der Welt, der Chess Challenger, kam im Januar 1977 anlässlich einer Messe erstmals auf den US-Markt. Der Rest ist schon Geschichte..." Soviel in Kurzform aus einem Interview von Göran Grottling, dem Chefredakteur des schwedischen Computerschachmagazins "Ply" mit Sid Samole anlässlich der Schachcomputer-WM 1988 im spanischen Almeria (erschien als Nachdruck in "Modul 4/1988").
Bei meinem nachfolgenden Streifzug werde ich ausführlich auf die wichtigsten Programmdetails, die Ausstattung sowie den Funktionsumfang der Fidelity Gerätepalette aus den Anfängen des "Mikroschachcomputerzeitalters" eingehen. Was heute bei vielen Kleinstgeräten zur Normalausstattung gehört, war damals schon eine halbe Sensation. Immerhin sind nun schon über 30 Jahre seit dem Erscheinen des ersten Schachmikros vergangen und vielen Lesern ist die eine oder andere Eigenschaft über ein bestimmtes Gerät wahrscheinlich nicht mehr so geläufig.
Auf Testpartien der Fidelity-Oldies aus den Jahren 1977 - 1980 habe ich bewusst verzichtet. Der Grund hierfür liegt einfach in der schachlich dargebotenen Qualität. Aus heutiger Sicht erscheint diese aufgrund der vorherrschenden "PC-Power" in Verbindung mit der immer noch stärker werdenden Software im Auge des verwöhnten Betrachters einfach als "grottenschlecht" und überwiegend langweilig. Wen es aber trotzdem interessiert, den möchte ich an dieser Stelle auf die einschlägige Schachliteratur aus dieser Zeit (z.B. Europa-Rochade, Schachmagazin 64, Schachecho etc.) verweisen.
Doch nun zum ersten Schachcomputer der Welt, dem Chess Challenger
Die technischen Daten des Gerätes aus Holz (Gehäusegröße 30,7 cm x 20,5 cm) fielen recht bescheiden aus: Mikroprozessor 8080 AF mit 2 MHz Taktfrequenz, Programmgröße (ROM) ganze 2 KB (!) oder 2.316 Bits. Damit beherrschte er noch nicht alle Schachregeln, sogar irreguläre Züge akzeptierte er, und nur eine einzige Spielstufe war verfügbar. Er konnte nur mit Schwarz spielen und erreichte lediglich eine max. Rechentiefe von 1 Halbzug. Eine Tonausgabe war nicht vorhanden. Die durchschnittlichen Rechenzeiten für den Antwortzug beliefen sich jeweils auf nur ca. 5 bis 6 Sekunden (was sich bei Tests mit meinem eigenen Chess Challenger bestätigte). Die gesamte Oberfläche des gut verarbeiteten Gerätes war mit einer braun-hellbeigen Plastikfolie überzogen, auf der linken Seite befand sich ein 20,5 cm x 17,5 cm großes Schachbrett. Daneben ein Feld mit 12 ebenfalls folienverkleideten Drucktasten für Zugeingaben, eine vierstellige, rote LED-Anzeige (FROMITO) für Zugausgaben sowie 2 Leuchtdioden für die Anzeige "CHECK/1 LOSE" . Die Besonderheit bei diesem Exemplar war, dass der Hersteller die Bezeichnung der Felder + Linien verwechselte! Diese wurden nämlich vertauscht, d.h. statt horizontal A-H hieß es 1-8 statt 1-8 auf der vertikalen Linie hieß es A-H (siehe Foto). Die Zugeingabe bereitet somit selbst geübten Schachspielern leichtere Probleme. Hier eine kleine, irregulär geführte Partie mit dem "Schachspielzeug":
Weiß: Mensch Schwarz: CC 1
1.7a-5e (Springer von g1 nach e5?) 4g-4f (Bauer von d7 nach d6)
2.4a-6g (Dame d1 schlägt f7?) CC 1: I LOSE (Schachmatt!)
Lustig, nicht wahr?
Chess Challenger heißt auf Deutsch "Schachherausforderer". Naja, eine Herausforderung war das aus schachlicher Sicht noch nicht, aber immerhin schon einmal ein Anfang.
Vom Chess Challenger sollen nur etwa 1000 Stück hergestellt worden sein, die zum damals doch recht hohen Preis von 600 US-Dollar verkauft wurden. Das Gerät ist heute -trotz aller vorgenannter Unzulänglichkeiten- ein sehr begehrtes Sammlerstück. Er ist der "URAHN" aller Schach-Mikros. In ganz Deutschland sind nur noch 5 Stück davon bekannt.
Mit dem verbesserten Nachfolgemodell, dem Chess Challenger 3,
fand der erste Mikroschachcomputer den Weg über den großen Teich nach Europa. In Deutschland wurde er erstmals im Herbst 1977 auf der Berliner Funkausstellung gezeigt. Der Verkaufspreis lag damals bei rund 698,-DM. Eigentümer des Chess Challenger konnten ihr Gerät gegen 75 US-Dollar auf den Stand des CC 3 umrüsten lassen. Bis auf die nunmehr richtigen Brettkoordinaten sowie der abgeänderten Beschriftung auf den Tastenfeldern unterscheidet er sich vom äußeren Erscheinungsbild nicht vom Chess Challenger. Im Inneren werkelte der gleiche Mikroprozessor wie im Vorläufermodell, die Programmgröße war mit 2332 Bits (Chess Challenger: 2316 Bits) ebenfalls nahezu unverändert. Der Ausstattungsumfang hatte sich etwas vergrößert: 3 Spielstufen mit Rechenzeiten bis zu 30 Sekunden, selektive (!) Baumsuche bis zu 3 Halbzügen, irreguläre Züge wurden nicht mehr akzeptiert. Allerdings kannte er immer noch nicht sämtliche Schachregeln. Er verfügte weder über einen Zufallsgenerator noch über die geringsten Endspielkenntnisse. Partiewiederholungen kamen so lfd. vor. Ein "Minieröffnungsrepertoire" mit d2 d4 bzw. e2 e4 als Weißer bzw. d7 d5 und e7 e5 als Schwarzer war vorhanden. Problemstellungen ließen sich nur durch Verrücken der Figuren aus der Grundstellung heraus eingeben, ein Wechsel der Spielstufe während der Partie war nicht möglich. Der Chess Challenger 3 ist für heutige Maßstäbe weder spielstark noch mit großem Ausstattungskomfort gesegnet, aber ebenfalls ein Liebhaberstück für Schachcomputersammler. Im Herbst 1978 erschien dann ein stark verbessertes Nachfolgemodell, der Fidelity Chess Challenger 10,
der in 3 verschiedenen Versionen (A, B und C) auf den Markt kam (UVP. DM 698,--). Hier kam erstmals der in diesen Jahren oft für Schachprogramme (u.a. später auch bei Novag) eingesetzte Z 80 A-Mikroprozessor von Zilog mit 4 MHz Taktfrequenz zum Einsatz.
Beim Fidelity Chess Challenger 10A und Fidelity Chess Challenger 10B standen 10 Spielstufen von 5 Sekunden bis 24 Std. durchschnittlicher Rechenzeit zur Verfügung. Allerdings waren dies nur grobe Vorgaben, denn je nach Stellungstyp wurden die Rechenzeiten doch erheblich unter- bzw. überschritten. Bei extrem verwickelten Stellungen konnte bis zum Erreichen der max. Rechentiefe von 6 Halbzügen schon 1 Woche (!) und mehr vergehen. Ich habe es jedenfalls bei meinem eigenen Exemplar aus Zeitmangel -und auch um einen Überhitzungsschaden zu vermeiden- noch nicht ausprobiert. Zur Ausstattung gehörte eine kleine Eröffnungsbibliothek mit insgesamt 80 Halbzügen (!), erstmals Signaltöne für Zugeingaben und Zugausgaben (nur CC 10A+B), die Möglichkeit des beidseitigen Spieles mit Weiß + Schwarz, Problemeingabemodus und Spielstärkeänderungen während der Partie. Die braunen 33,5 x 21,5 cm messenden Holzgehäuse der Fidelity Chess Challenger 10A bzw. Fidelity Chess Challenger 10B waren allseits gerundet, beim Chess Challenger 10C eckig und jeweils solide verarbeitet. Das Spielfeld aus Metall sowie die 16 (10 A + B) bzw. 12 Bedienungstasten (Fidelity Chess Challenger 10A) zur Zugeingabe auf der rechten Seite waren mit einer Schutzfolie aus Plastik überzogen. Die Zugausgabe erfolgte wie beim Chess Challenger 3 über 4 rote LED-Segmente. Zur Aufbewahrung wurde sogar ein brauner Kunstlederkoffer (10 A + B) bzw. schwarzer Plastikkoffer (Fidelity Chess Challenger 10C) mitgeliefert. Der Fidelity Chess Challenger 10A konnte während einer Partie selbst auf den höchsten Programmstufen nicht dazu bewegt werden, die Rochade auszuführen. Die Eröffnungsphase wurde somit nicht harmonisch abgeschlossen und er kam somit bereits oft im Mittelspiel in unnötige Bedrängnis. Diese Schwäche wurde im Frühjahr 1979 mit dem Fidelity Chess Challenger 10B beseitigt, der nun zwanglos an den geeigneten Stellen in einer Partie rochierte. Gegen Ende der 2. Jahreshälfte 1979 erschien dann der Fidelity Chess Challenger 10C, bei dem auch das Schachprogramm sowie die Abstufungen bei den Levels deutlich überarbeitet und verfeinert wurden. Ferner wurde die Stellungskorrektur sowie Problemeingabe verbessert. Trotz aller durchgeführten Verbesserungen nahm die Spielstärke bei allen 3 Varianten mit nachlassendem Material -vor allem bei Bauernendspielen- rapide ab.
Das Plastikzeitalter hielt Mitte 1979 mit dem Chess Challenger 7
erstmals Einzug bei Fidelity. Das Programm wurde gegenüber dem Fidelity Chess Challenger 10B bei gleichgebliebenem Umfang weiter modifiziert, allerdings auf Kosten des äußeren Erscheinungsbildes, denn das Gehäuse im Challenger-Design der Vorgänger wurde nicht mehr aus Holz gefertigt. Dafür lag der mit 498,-- DM angesetzte Verkaufspreis 200,-- DM unter dem des Chess Challenger 10. Das Eröffnungsbuch wurde unverändert übernommen, es standen aber nur noch 7 Spielstufen (allerdings ggü. dem Vorläufer gestrafft) von 5 Sekunden bis 24 Std. Durchschnittszeit zur Verfügung. Insgesamt gesehen spielte der Fidelity Chess Challenger 7 aggressiver und forscher als die Vorläufer, die selektive Suche ist noch enger geworden, Fesselungen und Drohungen -eine eklatante Schwäche der Fidelity Chess Challenger 10- wurden nun schon gesondert überprüft. Unter den Programmverbesserungen litt leider das Endspielverhalten. Er konnte nicht einmal mehr mit 2 Türmen oder mit der Dame allein den Gegner mattsetzen! Aufgrund des günstigeren Preis- Leistungsverhältnisses gegenüber den Vorläufern wurden von Fidelity damals immerhin rund 600.000 Stück weltweit von diesem Gerätetyp abgesetzt. "Hallo, ich bin der Chess Challenger von Fidelity, Ihr elektronischer Schachfreund. Wählen Sie Ihre Spielstärke " krächzt einem eine tiefe, blecherne und ziemlich synthetisch klingende Stimme entgegen, sobald der Chess Challenger VOICE eingeschaltet wurde.
Falls der Benutzer dann nichts weiter unternahm, wiederholte der Computer alle 20 Sekunden seine "Begrüßungsrede", was auf Dauer doch irgendwann ziemlich nervte. Dieses schwarze, im Chess Challenger 10-Design und erstmals mit richtigen, allerdings etwas schwergängigen Tasten ausgestattete Holzgerät (33 x 21 cm) erschien im Oktober 1979 auf der Bildfläche zu einem Verkaufspreis von 998,-- DM. Die künstliche Stimme sagte bei jedem Zug an, welche Figur wohin zieht, ob dabei ein Stein geschlagen wurde und informierte auf Wunsch über die jeweilige Stellung sowie über die eingestellte Spielstufe, von denen 10 vorhanden waren. Ferner wurden Rochade, Schachgebote und En-Passant-Züge angesagt. Somit konnte damals erstmals sogar Blinden die Möglichkeit gegeben werden, gegen einen elektronischen Schachpartner zu spielen. Zusätzlich erfolgte neben der Sprachausgabe die Zugausgabe über ein rotes, 4stelliges alphanumerisches LED-Display. Die Speicherkapazität des Programmes wurde gegenüber den Vorläufern mit 24 KB Umfang deutlich vergrößert, wobei ein Teil davon für den Sprachchip verwendet wurde. Das eigentliche Schachprogramm lief auf einem Mikroprozessor Z80 A mit 3,9 MHz. Für damalige Verhältnisse stand ein Superlativ zur Verfügung: 46 fest gespeicherte und über A1 - F6 abrufbare Eröffnungsvarianten mit einer durchschnittlichen Tiefe von 14 Zügen, die längste Variante brachte es mit 23 Zügen sogar bis weit in das Mittelspiel (für heutige Verhältnisse schon ganz ansehnlich!) Effektiv umfasste das Repertoire rund 1.250 Halbzüge. Durch den erweiterten Programmumfang wurde das Endspielverhalten erstmals deutlich bei einem Schachmikro verbessert, was auch mit den nachfolgenden, heute teilweise erheiternden Hinweisen in der Bedienungsanleitung zum Ausdruck kommt:
"...Durch einen Zusatzspeicher ist der CC Voice in der Lage, bis zu 6 verschiedene Strategien zu verarbeiten. Einmal errechnete Werte können archiviert werden. Dieser Vorteil wirkt sich früheren Entwicklungen gegenüber sehr deutlich auf die Spielstärke vergleichbarer Rechenzeiten aus. Die unteren Programmstufen sind so gestaltet, dass auch für Anfänger kurzfristige Erfolgserlebnisse vorprogrammiert sind. Jedoch in den höheren Stufen kann das Elektronengehirn auf seinen eigenen Erfahrungsschatz zurückgreifen und seine Rechenzeit stärker für die in die Zukunft gerichtete Analysen verwenden. CC Voice ist nicht nur ein sprechender Computer, sondern er setzt heute Maßstäbe sinnvoller Nutzung futuristischer Technologie..."
Das klingt ja fast so, als ob es sich um einen Prototypen handelt, bei dem erstmals die "Hash-Table-Technologie" zum Einsatz kommt, und das schon zu Anfang der 80er Jahre, naja. Jedenfalls wurde "The Voice" zum Marken- bzw. Erkennungszeichen für alle späteren Spitzengeräte von Fidelity.
Im Herbst 1980 wurde mit dem Chess Challenger 8 ein neues Gerätekonzept, nämlich die direkte Zugeingabe per Drucksensortasten auf dem Schachspielfeld eingeführt. Mit seiner Bedienungsfreundlichkeit übertraf er alle seine Vorläufermodelle. Das Gerät (Ausmaße 27 x 29 cm) war aus Kunststoff gefertigt und zum Preis von rund 498,-- DM erhältlich. Die Zugausgabe erfolgte mittels LED-Leuchten auf den 64 Schachfeldern. Eine eigene Zuganzeige war nicht vorhanden. Die übrigen Funktionen, wie z. B. Spielstufeneinstellung, Stellungseingabe und -überprüfung, Kontrolltoneinstellung, Anzeige für Patt + Matt etc. erfolgten in Kombination mit insgesamt 8 Folientasten (Rücksetzen = RE und Löschen = CL sowie 6 weiteren Tasten mit Figurensymbolen) die auf der rechten Seite angebracht waren. Bei dem Schachprogramm handelte es sich um eine überarbeitete Chess Challenger 7-Variante mit gleichem Eröffnungsbuch sowie 8 Spielstufen. Erstmals konnte zwischen Netz- und Batteriebetrieb gewählt werden.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass ein großer Teil des späteren Verkaufserfolges von Fidelity auf dem nachfolgend genannten Gerätekonzept (respektloser formuliert "Badewannenprinzip") basierte: Sehr hohe Spielstärke bei einem unscheinbaren und teilweise auch hässlichen Design, jedoch kombiniert mit einer relativ unkomplizierten Bedienung sowie einem guten Preis- Leistungsverhältnis (z.B. Sensory 9, Excel 68.000, Fidelity Excel 68000 Mach II, III und IV).
Im Herbst 1980 kam der Nachfolger des Chess Challenger Voice, der Chess Challenger Sensory Voice
auf den Markt (UVP. 998,-- DM, Ausmaße: 33 x 29 cm) Es handelte sich um das erste richtige Luxusmodell der Chess-Challenger-Reihe, bei der das bedienungstechnische Konzept des CC Sensory 8 in Verbindung mit einem verbesserten Programm und erweiterter Ausstattung übernommen wurde. Das braunbeige Drucksensorbrett mit einer vorne in der Mitte integrierten und erhobenen 4stelligen LED-Anzeige sowie 6 rechts daneben angebrachten, zusätzlichen Druckknöpfen ist mit einem Holzrahmen umgeben, was einen Hauch von Exklusivität verbreitet. Zum Ausstattungsumfang gehörten unter anderem:
- Die Lautstärke als auch die Anzahl und Art der Ansagen bei der Computerstimme konnten separat eingestellt werden.
- Erstmals stand eine integrierte Schachuhr mit Count-Down-Modus für Blitz- und Schnellpartien zur Verfügung.
- 9 Spielstufen u. 1 Analysestufe mit selektiver + erschöpfender Suche
- Anzeige des gerade erwogenen Zuges in bestimmten Stufen
- Abschaltbarer Zufallsgenerator
- Erweiterte Eröffnungsbibliothek mit rund 2.000 Halbzügen, bei der die 64 wichtigsten Varianten sogar abrufbar waren
- Speicherung von 64 Meisterpartien zwischen 1852 und 1979
- Als Zubehör konnte ein Thermodrucker zum Protokollieren der Partien verwendet werden
Zum etwa gleichen Zeitpunkt wie der Chess Challenger Sensory Voice kam in einer kleineren Auflage der Chess Challenger Grandmaster Voice zum Preis von ca. 1.500,-- DM heraus. Der Computerteil mit den 16 Bedienungstasten und der LED-Anzeige war rechts in ein sehr großes, furniertes Turnierbrett eingebettet, darüber und darunter befand sich jeweils ein Figurenkasten. Es waren keine Sensorfelder vorhanden. Die Zugeingabe erfolgte konventionell über die Tastatur. Aufgrund der beeindruckenden Ausmaße (71 x 58 cm) handelte es sich wohl um den größten, jemals gebauten Schachcomputer. Das kann ich auch aus meiner eigenen Erinnerung behaupten, da ich gegen das Gerät einmal als Schüler in einem Kaufhaus spielte. Das Schachprogramm war bis auf die Eröffnungsbibliothek (vom Chess Challenger Voice) mit dem des Chess Challenger Sensory Voice identisch, Aufgrund der relativ geringen, hergestellten Stückzahl handelt es sich bei diesem Gerät um ein begehrtes Sammlerstück.
Wenn zwei sich streiten...
Der Schachcomputer SARGON 2.5
von Applied Concepts war Anfang der 80er Jahre der stärkste Schachcomputer auf dem Markt. Für das Programm zeichnete sich das Ehepaar Dr. Dan und Dr. Kate Spracklen verantwortlich. Nachdem Rechtsstreitigkeiten zwischen Applied Concepts und deren Vertriebsfirma Chafitz ausgebrochen waren und die vereinbarten Tantiemen nicht mehr flossen, mussten sich die beiden ein anderweitiges Betätigungsfeld suchen. Anfang September 1980 wurde die 1. Nordamerikanische Microcomputer-Schachmeisterschaft in San Jose (USA) ausgetragen. Über den Sieger, das Experimentalprogram "Fidelity Champion Sensory Challenger X (CSC)" rankten sich viele Gerüchte. Fakt ist, dass die Spracklens bereits damals, allerdings als "inoffizielle" bzw. "freie Mitarbeiter" für Fidelity, bei der Programmgestaltung des Siegergerätes mitgewirkt haben. Die später dann offiziell vollzogene, vertragliche Bindung der Spracklens an Fidelity sollte sich in der Zukunft für die Firma als absoluter Glücksgriff erweisen. Die zukünftigen Programme der Spracklens mussten aber aus urheberrechtlichen Gründen dann auf den Namen "SARGON" verzichten.
Im Herbst 1981 kam somit der erste "offiziell" vom Ehepaar Spracklen programmierte Chess Challenger Sensory Champion zum Preis von 998,-- DM auf den Markt. Es handelte sich um das erste, absolute Spitzenprogramm von Fidelity. Vom äußeren Erscheinungsbild und vom Ausstattungsumfang war er mit dem bisherigen Luxusgerät Sensory Voice identisch. Erstmals kam der in den Folgejahren allseits bekanntgewordene 8-Bit Prozessortyp 6502 (hier B) mit 2 MHz Taktfrequenz zum Einsatz. Die Programmgröße lag bei 28 KB. Neu bei dieser Reihe war unter anderem das "Permanent Brain" (Nutzung der gegnerischen Bedenkzeit für eigene Analysen), ein- und ausschaltbare Kontrolltöne, Anzeige der Rechentiefe und des erwogenen Zuges sowie Zugrücknahme bis zu 39 Halbzügen. Das Eröffnungsbuch umfasste damals immerhin schon 3.500 Halbzüge. Von der spielerischen Qualität her bedeutete dieser Rechner damals den Durchbruch zum Niveau eines unteren bis durchschnittlichen Klubspielers.
Den Wünschen von Reiseschachfans wurde ebenfalls im Herbst 1981 Rechnung getragen mit Veröffentlichung des Chess Challenger Sensory Mini.
Der Reisecomputer konnte sowohl mit Netzteil als auch Batterien betrieben werden. Das Gerät (22x13 cm) zum Preis von 175,-- DM verfügte über ein 2 KB-Programm mit 3 unterbrechbaren Spielstufen. Eine Eröffnungsbibliothek war somit aus Platzgründen nicht vorhanden, von Unterverwandlungen und Endspielwissen ganz zu schweigen. Die Käuferzielgruppe lag bei Schacheinsteigern mit schmalem Geldbeutel und ohne allzu große Ambitionen. Die Zugeingabe erfolgte über ein kleines Sensorbrett, in das die mit kleinen Stiftchen versehenen Figuren gesteckt wurden. Aus Platzgründen wurden die Züge nur durch 2 Diodenzeilen (Reihen- und Linienangabe) ausgegeben. Die absolute Krönung stellte der zum Jahresende 1981 herausgebrachte Chess Challenger Sensory Champion Elite dar (auch bezeichnet als "UR-ELITE"). Von diesem damaligen "Boliden" wurden weltweit nur 500 Stück hergestellt. Zum Verkauf in Deutschland gelangten 100 Stück. Er wird deshalb auch die "blaue Mauritius" unter den Schachcomputern genannt. Der anfangs horrende Verkaufspreis von 4.000,-- DM (!) fiel im Folgejahr zuerst auf 3.000,-- DM und dann auf 2.400,-- DM. Vom äußeren Design und Ausstattungsumfang war er mit dem Chess Challenger Sensory Champion identisch. Die Auslieferung erfolgte zusammen mit einem schwarzen Kunstlederkoffer. Die eingebaute Mikroelektronik hatte jedoch ihren Preis und war der damaligen Zeit weit voraus: Mikroprozessor 6502 C mit 4 MHz Taktfrequenz (doppelt so schnell wie der Chess Challenger Sensory Champion!) sowie 24 KB Programmumfang. Im Inneren wurde weitgehend -bis auf eine abgeänderte Eröffnungsbibliothek- das Programm des WM-Gewinners der experimentellen Klasse von Travemünde 1981 abgearbeitet (welches sogar mit Taktrate von 5 MHz lief). Jeder Käufer erhielt damals eine Besitzurkunde sowie ein "Qualitätszertifikat", welches 25 Unterschriften
von den bei der Programmentwicklung und -herstellung beteiligten Personen trägt. Der stolze Eigentümer konnte sich auf Wunsch in der vorne am Gerät angeschraubten, polierten Messingplakette seinen Namen eingravieren lassen. Zum Ausstattungsumfang des bereits besprochenen Chess Challenger Sensory Champion kam beim Elite neu hinzu, dass man sich durch Druck auf die LV-Taste neben dem erwogenen Zug und der Rechentiefe nunmehr auch noch die materielle und positionelle Stellungsbewertung im 3 Sekunden-Rolliermodus anzeigen lassen konnte.
Die ersten 6 Elite (No. 001 - 006) besaßen diese Eigenschaft noch nicht. Diese hatten dafür noch die 64 Lehr- bzw. Meisterpartien abgespeichert bzw. das abrufbare Eröffnungsrepertoire enthalten, welche bei den nachfolgenden Geräten (No. 007 - 500) dann entfiel. Der Elite war vorwiegend für Spielstärkefanatiker mit dickem Geldbeutel konzipiert worden. Einen kleinen Wehrmutstropfen besaß er trotz seines überragenden Programms sowie der umfangreichen Bedienungsmöglichkeiten doch: Ein standesgemäßes, luxuriöses und eleganteres Äußeres in Form eines turniergroßen Edelholzsensorbrettes.
Teil 2
Doch dazu mehr in Teil 2: 1982 - 1984, in der ich auf die Gerätepalette von Fidelity ab 1982 eingehen möchte. Dass sich selbst sehr starke, menschliche Schachspieler vor dem Elite in Acht nehmen mussten, erfuhr der mehrfache Berliner Meister Harald Lieb 1982 bei einer Simultanpartie am eigenen Leib. Der Computer rechnete auf der Analysestufe und wurde unterbrochen, sobald der Meister ans Brett trat. (Die Partie sowie die Kommentare von H.P. Ketterling wurden aus der Europa-Rochade Nr. 219 vom Oktober 1982 entnommen)
Alwin Gruber