5. WMCCC Amsterdam 1985

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  • Amsterdam NED, 1985.09.07 - 1985.09.15
  • World Microcomputer Chess Champion: Mephisto Amsterdam
  • Amateur-Weltmeister: Nona


P Player Hardware Score SOP 1 2 3 4 5 6 7 8
1: Mephisto A'dam 1 68020 8.0 / 8 29.0 12w+ 8b+ 7b+ 11w+ 4w+ 6b+ 9b+ 5w+
2: Mephisto A'dam 3 68000 7.0 / 8 27.5 6b+ 11w- 13b+ 10w+ 14w+ 4b+ 7w+ 12b+
3: Mephisto A'dam 2 68000 7.0 / 8 27.5 4w+ 13w+ 11b= 14b+ 5w+ 7b+ 12w+ 8b=
4: Princhess 6 6502 4.5 / 8 35.0 3b- 16b= 15w+ 8w+ 1b- 2w- 14b+ 13w+
5: Blitz Monster Y 6502 4.0 / 8 36.0 10w= 9b= 8w= 7b= 3b- 14w+ 6w+ 1b-
6: Plymate Y 6502 4.0 / 8 32.5 2w- 15b= 16w+ 9b= 10w+ 1w- 5b- 11w+
7: Plymate Z 6502 3.5 / 8 38.5 9w= 10b+ 1w- 5w= 11b+ 3w- 2b- 15w=
8: Orwell Y 68020 3.5 / 8 33.0 14w+ 1w- 5b= 4b- 13w- 15b= 16b+ 3w=
9: Orwell X 68020 3.5 / 8 31.5 7b= 5w= 14b- 6w= 15w+ 13b= 1w- 10b=
10: Turbostar K 6502 3.5 / 8 29.0 5b= 7w- 12w+ 2b- 6b- 16w+ 13b= 9w=
11: Orwell Z 68020 3.0 / 8 36.0 16w+ 2b+ 3w= 1b- 7w- 12b- 15w= 6b-
12: Plymate X 6502 3.0 / 8 35.5 1b- 14w- 10b- 13w+ 16b+ 11w+ 3b- 2w-
13: Blitz Monster C 6502 3.0 / 8 34.5 15w+ 3b- 2w- 12b- 8b+ 9w= 10w= 4b-
14: Turbostar 440 6502 3.0 / 8 33.5 8b- 12b+ 9w+ 3w- 2b- 5b- 4w- 16w+
15: Turbostar G 6502 2.5 / 8 26.0 13b- 6w= 4b- 16w= 9b- 8w= 11b= 7b=
16: Blitz Monster X 6502 1.0 / 8 27.0 11b- 4w= 6b- 15b= 12w- 10b- 8w- 14b-

64 games: +29 =17 -18


Eine Demonstration der Stärke. Das von Richard Lang weiterentwickelte Programm Psion, werkelte jetzt als Mephisto Amsterdam auf dem bewährten 68000er (68020 WM-Version) Prozessor und deklassierte in nie da gewesener Weise den Rest der Weltelite. Die Regentschaft von König Richard hatte begonnen.


Mephisto schlug sie alle

Fünfte Mikrocomputer-Schachweltmeisterschaft in Amsterdam

(Turnierbericht von Dieter Steinwender und Frederic Friedel aus Computerschach und Spiele / Heft 5 / 1985)

Die letzte Weltmeisterschaft in Glasgow bescherte uns gleich vier verschiedene Sieger und jeder Hersteller beanspruchte für sein Gerät die Lorbeeren. Bei der diesjährigen Mikro-WM, die vom 7. bis 15. September in Amsterdam ausgetragen wurde, gab es dagegen klare Verhältnisse: Auf breiter Front siegten lauter Mephistos, das Spitzengerät mit kaum vorstellbaren 22:2 Punkten! Die Konkurrenz wurde damit regelrecht deklassiert.

Eröffnet wurde das Turnier musikalisch, mit Ausschnitten aus Werken des französischen Schachmeisters und Komponisten Francois Andre Danican Philidor, der just am Eröffnungstag vor 259 Jahren geboren wurde. Doch dann regierte neun Tage lang im funkelnagelneuen Word Trade Center die schachspielende Elektronik. Das Budget für diese Veranstaltung betrug nach Angaben des Organisationskomitees 130.000 Gulden, wovon knapp ein Fünftel aus den Startgeldern ($500,- pro kommerzielles Gerät) bestritten wurde. Der Rest kam vom World Trade Center und von Electronics Nederland, einer Firma, die in erster Linie die Schachcomputer der Firma SciSys vertreibt. Dutzende von Turbostars waren für das Publikum ausgestellt und Plakate von SciSys zierten die Gänge im Turniersaal. Sicherlich hatte Firmenchef Robby Kalkoene einen anderen Ausgang des Turniers erhofft.

Acht Runden wurden gespielt, um den besten "Ein-Chip"-Mikrocomputer zu ermitteln. Insgesamt 21 Geräte gingen an den Start, wovon fünf in der sogenannten Amateurgruppe unter sich spielten und nicht auf die 16 Geräte im Hauptfeld trafen. Letztere wurden von kommerziellen Unternehmen ins Rennen geschickt, im Wesentlichen von fünf Herstellern oder Programm-Häusern, die zurzeit den Markt beherrschen. Neben White & Allcock, die noch nie an einer Computer-WM teilgenommen haben, vermisste man vor allem Fidelity, die offenbar ganz andere Sorgen haben (Nachtrag: Die Firma Fidelity Electronics Deutschland mussten im Jahr 1985 Konkurs anmelden.).


Hegener + Glaser

50 Prozent schneller als das Seriengerät: Der Turniersieger auf Super-Entwicklungshardware von Motorola.

Die Münchner hatten alles auf ein neues Programm gesetzt, das auf 16-Bit-Hardware läuft und die bisherigen "S"-Module ablösen soll. Der Engländer Richard Lang musste in den letzten Monaten alle übrigen Geschäfte beiseiteschieben und mit Hochdruck daran arbeiten. Bei der WM starteten alle drei Mephistos mit seinem Programm. Mephisto Amsterdam 1 war eine Spezialkonstruktion, bei der ein leihweise zur Verfügung gestelltes Entwicklungssystem von Motorola zum Einsatz kam. Dieser Kasten, der einen Wert von ca. $50.000 darstellte, enthielt einen echten 32-Bit-Prozessor: Der 68020 hat intern 32-Bit-Register und - im Gegensatz zum "kleinen Bruder", dem 68000 - auch noch einen 32-Bit-Datenbus, so dass Speicherzugriffe in voller Geschwindigkeit ablaufen. Außerdem besitzt er einen sogenannten "Cache"-Speicher, mit dem viele Operationen stark beschleunigt werden.

Das aufwendige System brachte allerdings eine Geschwindigkeitssteigerung von nur 50% gegenüber den anderen beiden Mephistos, die mit der normalen S-Hardware (68000-Prozessor, 12 MHz) unter der Bezeichnung Mephisto Amsterdam 2 und 3 liefen. Die Programme in allen drei Geräten waren absolut identisch: 28 KByte Code, 10.000 Stellungen in der Eröffnungsbibliothek, stark selektiv und mit neuem Mittel- und Endspielwissen.


Sustemhuset Sundbyberg

Unter dem Namen Plymate starteten drei Geräte dieser schwedischen Firma. Freilich genügten einige Augenblicke, um zu erkennen, daß dahinter das Princhess-Programm von Ulf Rathsman und Lars Hjörth steckte. Die verwendeten Geräte waren von Conchess, der 6502-Prozessor jeweils auf eine Höchstleistung von 9 MHz getrimmt. Allerdings gab es damit Probleme und die beiden Autoren mussten des Öfteren zum Schraubenzieher und Löteisen greifen oder überhitzte Geräte komplett austauschen. Über den zweiten Mannschaftsplatz dieses Programms konnten sich die Leute von Hegener + Glaser ebenfalls freuen, denn das Programm wird unter der Bezeichnung MM II als Modul für Mephistogeräte angeboten. Dort wird es als Nachfolger des B&P-Moduls mit gemächlichen 3,7 MHz seine Dienste tun.

Ein weiteres Programm stammte ebenfalls von Ulf Rathsman: Princhess 6 wurde von der englischen Firma Contemporary Chess Computers angemeldet und unterschied sich in keinem wesentlichen Punkt von den drei Plymate-Geräten.


T.Nitsche/E.Henne

Unter dieser Firmenbezeichnung traten die Münchner Thomas Nitsche und Elmar Henne an, um der Welt (und insbesondere Hegener + Glaser, von denen sie sich getrennt haben) zu zeigen, dass mit ihnen noch gerechnet werden muss. Dabei setzten sie weniger auf Programmverbesserungen als vielmehr auf schwindelerregende Hardware, die dem altbekannten Mephisto III-Programm (nunmehr unter dem Namen Orwell zu neuem Glanz verhelfen soll. Der NDR-Computercrack Rolf-Dieter Klein baute ein 68020-System zusammen, das sogar die oben beschriebene Entwicklungshardware von Motorola in den Schatten stellt (Richard Lang: "Auf der Maschine würde mein Programm so laufen, wie auf einem 68000 mit 32 MHz!"). Mit dem dritten Mannschaftsplatz waren die Münchner sichtlich unzufrieden (Nitsche trocken: "Unser Programm macht noch die gleichen Fehler wie früher, mit der neuen Hardware aber dreimal schneller!") und meinten, die 20.000 DM, die der Einsatz in Amsterdam gekostet hatte, seien wohl in den Sand gesetzt.


SciSys Hongkong

Es war eine Freude, den Programm-Autor Julio Kaplan (Internationaler Meister, ehemaliger Jugendweltmeister) bei seinem ersten Computerturnier zu erleben. Der gebürtige Argentinier bewahrte trotz vielfältiger Pannen bei den Turniergeräten seinen erfrischenden Humor und betrachtete den vierten Mannschaftsplatz mit Gelassenheit. 1986 soll das große Jahr für sein noch junges Programm werden. Diesmal war er vom Pech verfolgt: Die neuen Turbostars, zu Wettkampfzwecken hochgetunt und mit den neuesten Programmversionen versehen, hatten Transportschäden erlitten und gaben alsbald ihren Geist auf. Zum Schluss des Turniers spielten reguläre Turbos, wie man sie seit Frühjahr im Geschäft kaufen kann.


Novag Industries

Programm-Autor Dave Kittinger war ohne übertriebene Hoffnungen mit seinem Blitz Monster (65C02, 5 MHz) nach Amsterdam gekommen, aber der Platz am Tabellenende hat ihn dennoch erschüttert. Und Firmenchef Peter Auge trauerte den Tagen nach, als sein Super-Conny ganz ohne "WM-Zirkus" zum Computer des Jahres wurde. Das neue Holz-Gerät sieht sehr ansprechend aus und hat etliche Features, auf die Super-Conny Fans lange warten mussten: LEDs in jedem Feld, Anzeige der ganzen Hauptvariante, Nachspielen einer Partie, Stellungsbewertung (nur mit dem Drucker) und einiges mehr. Am interessantesten ist die eingebaute Parallel-Schnittstelle, mit der das Blitz Monster mit einem normalen Heimcomputer kommunizieren kann. Diese Fähigkeit wird ihm sicherlich eine spezielle Kundschaft garantieren.


Die Amateurgruppe

Die fünf Amateur-Programme liefen in erster Linie auf Heimcomputern: Von Kempelen 1 aus Ungarn auf Commodore 128, Tumult aus Rumänien und Nona aus Holland auf Apple Ile, PK 83 (NL) auf Digital 380 und Rebel (ebenfalls NL) auf einem umgestrickten Mephisto Modular B + P. Gesiegt hat Nona mit 7 Punkten, gefolgt von Rebel (4 Punkte), Tumult (3,5), von Kempelen (1,5) und PK 83 (0). Der Sieg von Nona war wiederum ein Grund zur Freude für Hegener + Glaser, da das Programm von Frans Morsch demnächst im neuen Mephisto Mondial eingesetzt wird.

Damit hat also die Firma Hegener + Glaser diesmal alles kassiert: Gold, Silber und Bronze in der Einzelwertung, Gold und Silber in der Mannschaftswertung, und den Titel des Amateur-Weltmeisters für ihr Lowcost-Gerät. Firmenchef Manfred Hegener lief in den letzten Tagen mit verlegenem Gesichtsausdruck herum: Nicht einmal in seinen wildesten Träumen hatte er sich ein solches Ergebnis vorgestellt.


Großmeister gegen Computer

GM Sosonko Simultanveranstaltung gegen 31 Schachcomputer


In einer Sonderveranstaltung spielte der niederländische Großmeister Gennadi Sosonko (Elo 2565) gegen 31 Schachcomputer (alle 21 Turnierteilnehmer, außerdem drei weitere Turbostars und Mephisto S, zwei Superconny und zwei "Super Enterprise" von White & Allcock). Acht Stunden benötigte der gebürtige Russe, bis er um 3:30 Uhr morgens mit einem Ergebnis von 25,5:5,5 die Simultanrunde abschließen konnte. Gewonnen haben bei den Computern drei Turbostars, ein Superconny und der Plymate X, während der Mephisto Amsterdam 1 dem Großmeister ein Remis abtrotzte.

Bei einer Mikro-WM darf ein deftiger Ossi-Weiner-Skandal (besser versteht's wirklich keiner) nicht fehlen, was auch die Holländer zu spüren bekamen. Als Sosonko den MephistoTeamchef mehrfach zum Ausführen eines Zuges aufforderte, zerriss dieser wütend sein Partieformular und feuerte die Figuren durch die Gegend (Ulf Rathsman: "In zehn Meter Entfernung hat mich ein weißer Bauer erwischt!"). Die Organisatoren drohten mit der Disqualifikation der gesamten Mephisto-Mannschaft, doch Weiner entschuldigte sich förmlich und man kehrte alsbald zur Tagesordnung zurück.

Partienauswahl

Wie erwartet brillierten die teilnehmenden Geräte der diesjährigen Mikro-WM wieder mit überraschenden Opferzügen und taktischen Finessen, die jeden Computerfan in Entzücken versetzen. Eine von beiden Seiten scharf gespielte und taktische hochinteressante Partie gab es in der dritten Runde zu sehen.

Schwache Grundreihe

Nachdem der Turbostar in der dritten Runde in einem angenommenen Damengambit schon frühzeitig seinen isolierten Damenbauern verloren hatte, sah es ganz nach einem Sieg für den Plymate aus. Doch im Gegensatz zu seinem fernöstlichen Kontrahenten hatte es das schwedische Programm versäumt, ein Luftloch für seinen König zu schaffen.

Turbostar K - Plymate X
28...Dd4?



Natürlich soll man bei Materialvorteil auf Abtausch spielen, doch dieser Zug ist völlig verfehlt. Sehen Sie die Widerlegung?

Minoritätsangriff und Damentreppe

Eine strategisch interessante Partie, in der sich Weiß nach langem Zögern doch noch zu dem thematisch angeratenen Minoritätsangriff entscheidet, bot sich dem Zuschauer in der 5. Runde.

Gewagte Kombination

Ebenfalls in der 5. Runde demonstriert Plymate auf eindrucksvolle Weise seine taktische Gefährlichkeit.

Weltmeister ohne Punktverlust

Bis zur letzten Runde hatte Mephisto Amsterdam 1 alles gewonnen und war bereits Weltmeister. In der letzten Partie sah es dann im Endspiel lange Zeit nach einem totsicheren Remis aus. Aber Mephisto brachte bei ungleichen Laeufern und einem Mehrbauern durch geschicktes Spiel den gegner immer wieder in Verlegenheit.

Turniervideo


Weblinks

siehe auch