Auge, Peter
Peter W. Auge,
ist ein deutscher Spielzeughersteller, Händler und Unternehmer. Als Gründer von Novag Industries Ltd., war Peter Auge Schachcomputerhersteller in den Jahren 1978 - 2009, bis Novag an Solar Wide Industrial Ltd. verkauft wurde, das die Herstellung von Novag-Schachcomputern fortsetzte.
Peter Auge, ein Deutscher, der nach Kanada ausgewandert war, gründete Novag im Jahr 1978 zusammen mit Erich Winkler, einem Schweizer Elektronikexperten. Nach einer kurzen, aber schmerzhaften Beziehung, in der beide Partner Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit hatten, verließ Erich Winkler Novag und gründete 1979 sein eigenes Unternehmen SciSys.
Dank Peter Auges jahrelanger Erfahrung in der Spielzeug- und Elektronikindustrie in Hongkong dauerte es nicht lange, bis Novag eine Produktionsbasis in Hongkong errichtete.
Im September 1978 brachte Novag seinen ersten Schachcomputer, den Chess Champion MK I, auf den Markt.
Novag nahm 1982 eine Beziehung zu dem amerikanischen Programmierer David Kittinger auf, und der Novag Constellation wurde als der erste von David programmierte Computer herausgebracht, dem bald darauf eine verbesserte und schnellere Version folgte. 1984 kam der Super Constellation auf den Markt, der wegen seines menschlichen Spielstils von der Kritik hoch gelobt wurde.
David Kittinger verbesserte seine Software im Laufe der Jahre immer weiter und ermöglichte es Novag, der Öffentlichkeit immer wieder neue Computer mit interessanten Spielweisen anzubieten.
Peter Auge übertrug seine Geschäftsinteressen an seine Tochter, die ein erfolgreiches Novag-Geschäft führte und neue Schachcomputer für die Welt bereitstellte, wie die neueste Version des Novag Robot von 2008 zeigte.
Ein Deutscher in Hongkong
Porträt eines Schachcomputer-Herstellers
Von Martin Gittel (aus Computer Schach & Spiele / Heft 1 / Februar 1985)
Sie lassen sich in ihrem Rolls-Royce zum Mittagessen chauffieren, sie wohnen für rund 16 000 Mark Monatsmiete hoch über den Dächern von Hongkong, arbeiten zehn Stunden am Tag und sechs Tage in der Woche: Das deutsche Ehepaar Peter(59) und Gabrielle Auge (35) hat in der britischen Kronkolonie eine glänzende Karriere gemacht. Ihre Firma, die Novag Industries Ltd., residiert im 11. Stock eines gläsernen Wolkenkratzers und beliefert die ganze Welt mit Schachcomputern.
Es begann in Kanada
Die berufliche Laufbahn des Peter Auge war nicht von Beginn an mit Schachcomputern verknüpft. Vor 34 Jahren trieb es den Spross einer Nürnberger Spielwaren-Dynastie in die Fremde. In Kanada vertrat er die Interessen der deutschen Spielwaren-Industrie. Dort besitzt er heute noch ein Blockhaus in der Nähe von Montreal.
Eines Tages kam Auge auf den Geschmack, sich selbst als Unternehmer zu betätigen. Er entdeckte nämlich, wie ein Konkurrent auf dem Spielzeugmarkt mit Plastikwerkzeugen das große Geschäft machte. Aber wie konnte er den Handel an sich ziehen, ohne mit einer etablierten Firma in Konflikt zu geraten?
Die Idee mit den Liebesperlen
Eine wohl von Natur aus angeborene Kreativität brachte Peter Auge auf den richtigen Gedanken. Er ließ die Griffe von Kinderwerkzeugen - zum Beispiel die eines Hammers - hohl und durchsichtig anfertigen, damit sie mit Liebesperlen gefüllt werden konnten. Muster davon zeigte er dem größten Importeur für Spielwaren in den USA, der von der Idee begeistert war und sofort 36 000 Kisten orderte. Das neuartige Kinderspielzeug ging weg wie warme Semmeln: Noch im ersten Jahr trafen aus den Vereinigten Staaten Aufträge über 55 Millionen Stück ein! Schließlich summierte sich die Gesamtproduktion auf 300 Millionen. So erfreulich alles war, die Frage des Produktionsstandortes und das Personalproblem wollte erst einmal gelöst sein.
Mehr Zucker als Coca Cola
Bei der Produktion nahm das Abfüllen der Liebesperlen in die Hohlräume der Spielzeuge die meiste Zeit in Anspruch. Dazu bedurfte es einer Vielzahl von möglichst billigen Arbeitskräften. Beides war in Hongkong vorhanden.
Deshalb siedelte der Nürnberger 1964 von Kanada nach Hongkong um und gründete dort ein eigenes Unternehmen namens MITCO. Um seinen Aufträgen entsprechen zu können, ließ er von 500 Mädchen Liebesperlen abfüllen. Durch die Produktion war der Zuckerverbrauch in dem Stadtstaat am südchinesischen Meer zeitweilig höher als der von Coca Cola.
Die Spielzeugfirma blühte und brachte Geld für weitere Geschäfte. Doch der ganz große Erfolg gelang erst mit „König und Dame“.
In sechs Monaten serienreif
Zum Aufstieg in Hongkong braucht ein Geschäftsmann drei Dinge: Ein Gespür für den Erfolg, ein besonderes Verhältnis zum Geld und die geschäftliche Mentalität eines Chinesen. Von alledem hatte Firmenchef Auge von Haus aus einiges mitbekommen. Bei dem Geschäft mit den Schachcomputern allerdings kam ihm zunächst der Zufall zu Hilfe.
Schmunzelnd erzählt Peter Auge: „1977 rief ein Partner an, ob ich nicht Schachcomputer bauen könnte. Ich sagte sofort zu, obwohl ich ein solches Gerät noch nie gesehen, geschweige denn hergestellt hatte. Trotzdem habe ich es geschafft, wenn auch das erste Modell mehr Fehler als Knöpfe besaß".
Der Partner war der Chef-Einkäufer der Horten Warenhaus AG in Düsseldorf, Hans Gabler. Sein Auftrag lautete über mehrere tausend Schachcomputer. Dem agilen Manager in Fernost gelang es, innerhalb von sechs Monaten ein elektronisches Schachspielgerät zu produzieren. Seine Erklärung dafür klingt plausibel: „Wir können in Hongkong sehr flexibel sein. Hier lässt sich eine Idee in wenigen Monaten auf den Markt bringen. Vieles ist hier unbürokratischer."
Der erste Novag-Schachcomputer aus Hongkong hieß MARK I und kostete damals 248 Mark. Trotz offensichtlicher Mängel und einer Spielweise, die sich nur wenig von der eines krassen Anfängers unterschied, konnten weit über 150 000 Geräte abgesetzt werden. Es entwickelte sich ein neuer Markt, der heute breite Bevölkerungsschichten abdeckt. Und Peter Auge war mit seiner Firma von Anfang an dabei.
Schachcomputer am laufenden Band
Als Peter Auge sah, wie gut sich der Schachcomputer seiner Firma verkaufen ließ, beschloss er, voll in den neuen Markt einzusteigen. Die Entwicklung bei Hard- und Software wurde gezielt weitergeführt, auf den MARK I folgte das Modell II. Ende 1979 kam mit dem CHESS CHAMPION SUPER SYSTEM III der erste Schachcomputer auf den Markt, der sich durch einige Zusatzgeräte zu einem Computer-Schachsystem ausbauen ließ.
An das Grundgerät konnten ein elektronischer Speicher (Memory), ein elektronisches Schachbrett, ein Drucker und eine Quartz-Schachuhr angeschlossen werden.
1980 trat ein interessanter junger Mann in die Dienste der Firma NOVAG: David Kittinger, der aus Anchorage in Alaska stammt und heute in Kalifornien in der Nähe von Los Angeles lebt, hatte sich mit seinem Schachprogramm MYCHESS einen Namen gemacht. Er entwickelte die Programme für die Schachcomputer der SAVANT-Reihe und den CHESS ROBOT, der mit einem Greifarm ausgestattet die Schachsteine selbsttätig bewegt.
Auch für diese Geräte waren ein neuer Thermodrucker und eine Schachuhr verfügbar. Die alte Modellreihe wurde mit dem recht preiswerten SUPERSENSOR IV fortgesetzt und durch MICRO-CHESS, dem ersten Kleingerät mit Sensortechnik, ergänzt. Der neueste Mini-Schachcomputer von NOVAG heißt MICRO III und ist für weit unter 200 Mark zu haben.
Mit dem Nachfolger für den SUPERSENSOR IV ist NOVAG dann ein großer Wurf gelungen. Der CONSTELLATION, ebenfalls mit einem Programm von David Kittinger, kam Mitte 1983 in den Handel und wusste sofort durch seine vortrefflichen Spieleigenschaften und durch ein gutes Preis/Leistungsverhältnis zu gefallen. Ihm folgte im September 1984 mit dem SUPER CONSTELLATION eine noch schnellere und spielstärkere Version nach.
Die Produkte aus der Ideenwerkstatt des Peter Auge findet man heute in der ganzen Welt. Unter allen Ländern nimmt die Bundesrepublik jedoch eine Ausnahmestellung ein: Hier sind seit 1978 mehr als 400 000 Novag-Schachcomputer verkauft worden.
Produkt des Jahres
Die Firma von Peter Auge gilt als einer der führenden Hersteller von Schachcomputern auf der Welt. Der Erfolg manifestiert sich nicht allein durch Produktionszahlen. Novag-Geräte sind mehrfach von der Regierung des Stadtstaates Hongkong als „Produkt des Jahres" ausgezeichnet worden. 1983 erhielt NOVAG für den CHESS ROBOT unter 64 Bewerbern den „Governor's Award", den höchsten Industriepreis, den Hongkong überhaupt zu vergeben hat.
Der Markt von morgen
Schach, ein uraltes Spiel und heute ein intellektueller Sport, ist gewissermaßen über den Computer entstaubt worden. Ja noch mehr: Das Schachspiel ist populärer denn je, nicht zuletzt dank der kleinen elektronischen Spielpartner. Doch der anfängliche Boom auf dem Schachcomputer-Markt hat in den letzten Jahren merklich nachgelassen. Wie sieht Peter Auge als Unternehmer die Situation?
Zwei Zielgruppen lassen sich ausmachen. Einmal gibt es die vielen Gelegenheitsspieler, die lernen oder einfach sich unterhalten wollen, für die ein Schachcomputer als geduldiger Spielpartner stets verfügbar ist. Zum anderen sind da die engagierten Schachspieler, die sich mit ihrem Gerät weiter entwickeln möchten. Für sie kann der Schachcomputer zum idealen Trainingspartner werden. Auch gute Clubspieler finden an den immer spielstärkeren Geräten zunehmend Gefallen. Insgesamt wird sich der Gesamtmarkt der Schachcomputer, so meint Peter Auge, durch neue und bessere Spielprogramme wieder beleben.
Die ungewöhnliche Karriere des gebürtigen Nürnbergers Peter Auge und seiner Frau Gabrielle klingt wie ein Märchen. Aber auch in Hongkong fliegen einem Geschäftsmann die gebratenen Tauben nicht in den Mund. Ohne harte Arbeit und ohne zündende Ideen ist ein Erfolg nicht möglich.
Beides war auch die Voraussetzung für den „deutschen Erfolg mit Schachcomputern in Fernost".
Video - Doku über Peter Auge, Gründer der NOVAG Industries Ltd. (1980)