3. WMCCC Budapest 1983: Unterschied zwischen den Versionen

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* '''Budapest HUN, 1983.10.13 - 1983.10.19'''
* '''Budapest HUN, 1983.10.13 - 1983.10.19'''
* '''World Microcomputer Chess Champion:''' [[Fidelity Elite A/S Budapest]]


Die dritte Weltmeisterschaft im Mikrocomputerschach fand vom 13. bis 19. Oktober 1983 im SZÁMOK Computer Education and Information Centre in Budapest (Ungarn), als besondere Aktivität des dritten Symposiums über Mikroprozessor- und Mikrocomputeranwendungen statt. Organisator und Leiter des Turniers war Dr. László Lindner, die ICCA wurde durch den ehemaligen Präsidenten Benjamin Mittman vertreten. Bis zu drei Computer pro Team waren erlaubt, mit der Einschränkung, dass diese Teilnehmer nicht gegeneinander in dem sieben Runden umfassenden Schweizer Systemturnier spielen dürfen. Der Elite A/S (Auto Sensory) von [[Spracklen, Dan & Kathe|Dan und Kathe Spracklen]], unterstützt von [[Nelson, Ron|Ron Nelson]] und Boris Baczynskyj, wurde Champion mit 6 Punkten aus 7 Partien, während der zweite Fidelity Vertreter [[Fidelity Sensory 9|Sensory 9]] den Preis für den besten kommerziell erhältlichen Computer gewann, in Konkurrenz mit dem [[Chess-Master]] aus der DDR.
Die dritte Weltmeisterschaft im Mikrocomputerschach fand vom 13. bis 19. Oktober 1983 im SZÁMOK Computer Education and Information Centre in Budapest (Ungarn), als besondere Aktivität des dritten Symposiums über Mikroprozessor- und Mikrocomputeranwendungen statt. Organisator und Leiter des Turniers war Dr. László Lindner, die ICCA wurde durch den ehemaligen Präsidenten Benjamin Mittman vertreten. Bis zu drei Computer pro Team waren erlaubt, mit der Einschränkung, dass diese Teilnehmer nicht gegeneinander in dem sieben Runden umfassenden Schweizer Systemturnier spielen dürfen. Der Elite A/S (Auto Sensory) von [[Spracklen, Dan & Kathe|Dan und Kathe Spracklen]], unterstützt von [[Nelson, Ron|Ron Nelson]] und Boris Baczynskyj, wurde Champion mit 6 Punkten aus 7 Partien, während der zweite Fidelity Vertreter [[Fidelity Sensory 9|Sensory 9]] den Preis für den besten kommerziell erhältlichen Computer gewann, in Konkurrenz mit dem [[Chess-Master]] aus der DDR.

Version vom 2. April 2023, 13:36 Uhr

Die dritte Weltmeisterschaft im Mikrocomputerschach fand vom 13. bis 19. Oktober 1983 im SZÁMOK Computer Education and Information Centre in Budapest (Ungarn), als besondere Aktivität des dritten Symposiums über Mikroprozessor- und Mikrocomputeranwendungen statt. Organisator und Leiter des Turniers war Dr. László Lindner, die ICCA wurde durch den ehemaligen Präsidenten Benjamin Mittman vertreten. Bis zu drei Computer pro Team waren erlaubt, mit der Einschränkung, dass diese Teilnehmer nicht gegeneinander in dem sieben Runden umfassenden Schweizer Systemturnier spielen dürfen. Der Elite A/S (Auto Sensory) von Dan und Kathe Spracklen, unterstützt von Ron Nelson und Boris Baczynskyj, wurde Champion mit 6 Punkten aus 7 Partien, während der zweite Fidelity Vertreter Sensory 9 den Preis für den besten kommerziell erhältlichen Computer gewann, in Konkurrenz mit dem Chess-Master aus der DDR.

P Player Score SOP 1 2 3 4 5 6 7
1: ELITE A/S 6.0 / 7 26.5 10w+ 15b+ 2w+ 3w= 8b+ 4w= 13b+
2: MEPHISTO X 5.0 / 7 29.0 11b+ 7w+ 1b- 8w= 5b= 12w+ 3b+
3: NOVAG X 5.0 / 7 27.0 16w+ 9b= 5w+ 1b= 10b+ 13w+ 2w-
4: SUPER CONSTELLATION 5.0 / 7 26.0 12w= 5b- 15w+ 9b+ 7w+ 1b= 10b+
5: PRESTIGE 4.5 / 7 28.5 8b+ 4w+ 3b- 11b+ 2w= 10w+ 7b-
6: GEDEON X 4.0 / 5 12.5 .... .... 18b+ 7w- 16b+ 8b+ 11w+
7: CHESS 2001 4.0 / 7 26.0 14w+ 2b- 10w- 6b+ 4b- 15w+ 5w+
8: CHESS 2001 X 3.5 / 7 27.0 5w- 16b+ 9w+ 2b= 1w- 6w- 15b+
9: MEPHISTO Y 3.5 / 7 24.0 13b+ 3w= 8b- 4w- 14b+ 11w- 16b+
10: MEPHISTO EXCALIBUR 3.0 / 7 29.5 1b- 17w+ 7b+ 12b+ 3w- 5b- 4w-
11: CONSTELLATION 3.0 / 7 24.0 2w- 12b= 17b+ 5w- 15w= 9b+ 6b-
12: SENSORY 9 3.0 / 7 23.5 4b= 11w= 14b+ 10w- 13b- 2b- 17w+
13: SUPERSTAR X 3.0 / 7 22.0 9w- 14b- 16w+ 18b+ 12w+ 3b- 1w-
14: MICROMURKS 2.5 / 7 17.5 7b- 13w+ 12w- 15b= 9w- 17b- 18w+
15: LOGICHESS 2, 2 2.0 / 7 26.0 17b+ 1w- 4b- 14w= 11b= 7b- 8w-
16: CHESSMASTER 2.0 / 7 21.0 3b- 8w- 13b- 17w+ 6w- 18b+ 9w-
17: 65 CYRUS X 2.0 / 7 15.5 15w- 10b- 11w- 16b- 18w+ 14w+ 12b-
18: LABIRINT 64 0.0 / 5 13.5 .... .... 6w- 13w- 17b- 16w- 14b-

61 games: +25 =9 -27

FIDELITY siegte in Budapest

(Turnierbericht von Frederic Friedel & Dieter Steinwender aus Computerschach International / Heft 4 / 1983)

Die Mikrocomputer-Schach-WM in Budapest ist zu Ende, viele CSI-Mitglieder haben unseren Ungarn-Service in Anspruch genommen und das Ergebnis bereits erfahren. Auch den übrigen Lesern, die es nicht so eilig hatten, wollen wir in dieser Ausgabe einen ersten Eindruck von den Wettkämpfen vermitteln. Natürlich werden wir in den nächsten Heften viel ausführlicher darauf eingehen, über den Turnierverlauf und die Hintergründe berichten. Heute wollen wir Sie in erster Linie über das Ergebnis des Turniers informieren.

Die Teilnehmer

Fidelity Elite AS-Novag X, Kate Spracklen

Firma: Fidelity Electronics
Autoren: Dan und Kathe Spracklen, Ronald Nelson, Boris Baczynskyj

PRESTIGE: Das bekannte Holzgerät der höheren Preisklasse, ausgestattet mit mit dynamischer Bewertung der Endknoten. Das Programm umfasst 20K in EPROM und benötigt 14K RAM. Prozessor: 6502C auf 4 MHz getaktet. Das Gerät schafft ca. 1000 Stellungen pro Sekunde. Die in Ungarn verwendete spezielle Turnier-Eröffnungsbibliothek hat ca. 16.000 Stellungen, das normalerweise eingebaute CB-16-Modul wurde außer Betrieb gesetzt.

ELITE A/S: Dieses in Deutschland angefertigte Holz-Sensorgerät hat dasselbe Programm wie der Prestige. Allerdings war die Taktgeschwindigkeit des Prozessor etwas geringer (3 MHz, daher auch nur 750 Stellungen pro Sekunde) und es standen nur 3K RAM zur Verfügung. Die normalerweise im 24K umfassenden Programmspeicher (EPROM) enthaltene Eröffnungsbibliothek wurde für das Turnier durch dieselbe ersetzt, die auch im Prestige verwendet wurde.

CHESS CHALLENGER SENSORY 9: Die neueste Version des bekannten Sensory 9. Das Programm wurde verbessert und eine ganze Reihe neuer Strategien eingebaut. Das Programm, das bereits in ROM ist, umfasst 16K und benötigt 2K RAM. Der 6502A Prozessor läuft mit 2 MHz (gegenüber 1,5 MHz des normalen CC9). Die Eröffnungsbibliothek hat ca. 3.000 Stellungen.

Firma: Hegener + Glaser
Autoren: Thomas Nitsche, Elmar Henne

MEPHISTO EXCALIBUR: Ein Mephisto-Grundgerät im ESB Holz-Sensorbrett, mit einer 68000-Karte ausgerüstet, die das neueste Mephisto-III-Programm ausführt. Der 68000 ist ein echter 16-Bit-Prozessor und seine Verarbeitungsgeschwindigkeit von 8 MHz würde beim normalen Mephisto Grundgerät etwa 21 MHz entsprechen. Das Programm ist 43 KByte groß und in EPROMs untergebracht. In der Turnierversion stand ein RAM-Speicher von 128K zur Verfügung, in den beim Start das gesamte Programm zwecks Geschwindigkeitssteigerung übertragen wurde. Das Münchener Programm arbeitet extrem selektiv und schafft durchschnittlich 5 Stellungsüberprüfungen pro Sekunde, die Eröffnungsbibliothek hat ca. 1500 Stellungen. Das System wird bereits für 5000 DM angeboten.

MEPHISTO X: Im Wesentlichen identisch mit dem EXCALIBUR, allerdings mit einer etwas kleineren Eröffnungsbibliothek (1000 Stellungen).

MEPHISTO Y: Auch mit den anderen beiden nahezu identisch. Zunächst lief dieses Gerät ohne Eröffnungsbibliothek, später wurde die des Mephisto X verwendet.

Firma: Novag Industries
Autoren: David Kittinger, Scott McDonald

CONSTELLATION: Der normale Constellation von 2 MHz auf 3 MHz getrimmt (Prozessor 6502B), aber ansonsten unverändert. Programm: 16K in ROM, 2K RAM, Geschwindigkeit: rund 800 Stellungen pro Sekunde. Auch die Eröffnungsbibliothek (ca. 2500 Stellungen) wurde nicht modifiziert.

SUPER CONSTELLATION: Dieses für 1984 vorgesehene Programm spielte im Constellation-Gehäuse. Der 6502C-Prozessor lief anfangs mit 4 MHz, wurde aber nach zwei Partien wegen technischer Schwierigkeiten auf 3,6 MHz heruntergesetzt. Das Programm war beim Turnier in 32K EPROM Speicherchips (mit 4K RAM) untergebracht. Suchgeschwindigkeit: 1000 Knoten pro Sekunde.

NOVAG X: Ein weiteres Programm von Dave Kittinger, das noch etwas größer ist (34K EPROM und 4K RAM) und von einem 6502C mit 3,6 MHz ausgeführt wird. Im Turnier war es im Schachbrett des Robots untergebracht, das mit zusätzlichen Anzeige-LEDs ausgestattet wurde und natürlich ohne Arm spielte.

Firma: Intelligent Software
Autoren: Richard Lang, Mark Taylor

Mephisto X-Chess2001 X, David Levy

CHESS 2001: Dieses neue Gerät, in England entwickelt und in Hongkong hergestellt, wurde erstmals bei der EM in London vorgestellt. Prozessor: Z8OC, 8 MHz (gegenüber 4 MHz bei dem im Handel erhältlichen Modell). Das Programm liegt bereits in der ROM-Version vor (16K mit 2K RAM) und hat 2500 Stellungen in der Eröffnungsbibliothek. Die Suchstrategie ist eher selektiv, es werden aber immerhin ca. 500 Knoten in der Sekunde untersucht.

CHESS 2001 X: Identisch mit dem vorigen Gerät, allerdings mit roten Feldern auf dem Schachbrett. Zu experimentellen Zwecken hatte Firmenchef David Levy während eines Großteils des Turniers die Eröffnungsbibliothek ausgeschaltet.

65 CYRUS X: Ein weiteres, noch voll in der Entwicklung stehendes Programm von Richard Lang und Mark Taylor. Verwendet wurde ein Apple II mit einer Accellerator Card (6502C-CPU) von Saturn Systems, die den Computer auf 3,6 MHz beschleunigt. Der Schachteil ist nur 5K groß und benötigt zusätzlich 8K RAM. Das Programm kennt 180 Eröffnungszüge. Die selektive Baumsuche ermöglicht eine Vorausrechnung von 4 bis 9 Halbzügen.

Firma: SciSys
Autor: Julio Kaplan

SUPERSTAR X: Dieses Gerät kam in letzter Minute über Holland nach Budapest. Es arbeitet mit einem 6502A (2 MHz) und hat ein 24K großes Programm (+ 4K RAM). Die Bibliothek enthält 2500 Eröffnungszüge und das Programm untersucht ca. 400 Stellungen pro Sekunde.

Firma: Mikroelektronik Erfurt
Autoren: Rüdiger Worbs, Dieter Schultze

CHESS-MASTER: Das DDR-Programm ist in einem Holzgehäuse untergebracht, hat Magnetsensoren und LEDs in jedem Feld. Der Prozessor (U 880 D, 2,5 MHz) ist eine eigene Entwicklung der Firma und entspricht in etwa dem Z80 von Zilog. Das Programm ist 12 KByte groß, enthält 180 Eröffnungsvarianten und untersucht nur 12-15 Stellungen pro Sekunde. Das Gerät, das auf der Leipziger Messe vorgestellt wurde und im Herstellerland bereits zu kaufen ist, hat im übrigen eine äußerst originelle Eingabemethode für Problemstellungen.

Universität Hamburg
Autoren: Manfred Allers, Dirk Hauschildt, Alexander Reinefeld, Jan Ropers, Dieter Steinwender

MICROMURKS: Dieses Programm läuft auf einer AP-20 von IBS, einer speziellen 68000-Karte für den Apple, die effektiv mit ca. 3,5 MHz gefahren wird. Das Programm wird von Diskette geladen und benötigt 32K Speicher. Es hat eine stark spezialisierte Eröffnungsbibliothek von 824 Stellungen.

Universität Kopenhagen
Autoren: Kaare Danielsen, Hartvig Ekner

LOGICHESS 2.2: Dieses Produkt der jüngsten Teilnehmer im Feld - 21 und 19 Jahre alt - läuft auf einem LYNX-Computer (Z8OA, 4 MHz) und benötigt 18K für den Code und 6K für veränderliche Daten. Es arbeitet selektiv und untersucht 50 Knoten pro Sekunde (Suchtiefe: ca. 4 bis 5 Halbzüge). Die Eröffnungsbibliothek hat 400 Stellungen. Das Programm wird von Cassette geladen. Private Teilnehmer

LABIRINT 64: Dieses Gerät aus Rumänien wurde von Darie Viorel, Cean Valantin und Ciobanu Traian programmiert und läuft auf einem importierten 8085 mit 1 oder 2 MHz (Betreuer Viorel wusste es nicht genau). Das Programm hat eine Größe von 32K, wovon allein 26K für schachliche Bewertungen verwendet werden. In diesem Turnier spielte das Gerät mit einer festen Einstellung von selektiv sieben Zügen und einer Tiefe von drei Halbzügen. Dabei untersuchte es nur eine Stellung pro Sekunde.

GEDEON X: Der altbekannte Chess Challenger Champion, von Bela Gedeon aus Ungarn leicht geändert, wurde ins Turnier aufgenommen, um eine gerade Zahl von Teilnehmern zu erreichen. Daten: 6502B, 3 MHz, 32K ROM, 16K RAM.

Das Turnierergebnis

Weltmeister 1983 - Fidelity Elite A/S

Den genauen Verlauf des Turniers können Sie der oben stehenden Tabelle entnehmen. Aus dieser Tabelle gehen die wichtigsten Daten über den Verlauf des Turniers hervor. Die sieben Runden sind in senkrechten Spalten getrennt aufgeführt (1 bis 7) und geben Auskunft über den Gegner und die Farbe, das Ergebnis dieser Begegnung und die Fortschritte der Programme im Turnier. Beispielsweise hat Elite A/S in der ersten Runde gegen Mephisto Excalibur (Nummer 10) mit Weiß (kein Punkt hinter der 10) gespielt und die Partie gewonnen (1); in der zweiten Runde war der Gegner Logichess 2.2 (15), Elite hatte Schwarz (b) und gewann (+). Wegen des verspäteten Eintreffens des rumänischen Programms wurden für Labirint und Gedeon in den ersten beiden Runden keine Punkte notiert.

Sieger des Turniers und Weltmeister der Mikrocomputer wurde mit einem vollen Punkt Vorsprung der Elite A/S, gefolgt von den punktgleichen Mephisto X (zweiter Preis), Novag X (dritter preis) und Super Constellation. Sensory 9, der auf Platz 12 landete, erhielt den Preis für den besten kommerziell erhältlichen Schachcomputer (nur er und Chess-Master hatten sich um diesen Preis beworben). Den Preis für das beste Amateurprogramm erhielt Micromurks.

Turnierverlauf


Budapest-Auslese

Impressionen einer Weltmeisterschaft

(Turnierbericht von Dieter Steinwender aus Computerschach International / Heft 1 / 1984)

Für jeden Computerschachfreund gibt es ein Ereignis von ganz besonderem Interesse: Die Mikrocomputer- Schachweltmeisterschaft. Die letzte fand vom 13. bis 17. Oktober vergangenen Jahres in Budapest statt. Im CSI-Heft 4/83 haben wir bereits die Teilnehmer ausführlich vorgestellt und das Ergebnis bekanntgegeben. Wir wollen nun auf die Wettkämpfe näher eingehen und alle Höhepunkte und Zwischenfälle Revue passieren lassen.

Den ersten Gewinnpunkt der WM konnte der Elite A/S verbuchen. In einer scharfen Wiener Partie beging sein Gegner Mephisto Excalibur einige Ungenauigkeiten, was dem Fidelity-Programm Gelegenheit zu einem vernichtenden Königsangriff gab. Nach nur 27 Zügen musste das deutsche Team aufgeben.

Die beste Partie des Tages bescherte uns der Mephisto Y, der gegen den neuen Superstar von SciSys sein strategisches Können unter Beweis stellte (Kommentar: Dr. László Lindner).

Pech für Constellation

Thomas Nitsche (rechts) analysiert mit Dave Kittinger die Schlussstellung nach der Zeitüberschreitung. Links: Prof. György Retsagi.
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Die Firma Novag war in Budapest anfangs nur durch zwei Personen vertreten, Chef Peter Auge und Programmierer David

Kittinger. Da aber drei Novag-Geräte teilnahmen, musste das Organisationskomitee einen weiteren Operateur zur Verfügung stellen. So übernahm in der ersten Runde ein ungarischer Mitarbeiter die Bedienung des Constellation. Dieser, ein ausgezeichneter Schachspieler, aber gänzlich unerfahren in der Handhabung des Computers, war übermäßig penibel und brauchte sehr viel Zeit, um die Züge einzugeben. Auf diesen Umstand ist es wohl zurückzuführen, dass Constellation in der Partie gegen Mephisto X im 38. Zug die Zeit überschritt. Der einzige Trost: Der Novag-Rechner hatte in der Schlussstellung ohnehin einen Bauern weniger und hätte das Turmendspiel nur mit viel Glück remis halten können.

Nach diesem Fiasko wurde der deutsche Novag-Importeur Günter Zens nach Budapest beordert, bis zu seiner Ankunft übernahm WM-Komitee Mitglied Frederic Friedel die Bedienung des Constellation.

Überraschendes Springeropfer

In der zweiten Runde konnte Elite einen weiteren eindrucksvollen Sieg erringen. Den kombinatorischen Ideen des von Kathe Spracklen liebevoll bedienten Computers hatte das dänische Amateurprogramm Logichess nichts entgegenzusetzen (Kommentar: Dr. László Lindner).

Prestige blendend in Form

Die weiteren Ereignisse des zweiten Spieltags: Mephisto X nutzte im Endspiel gegen Chess 2001 geschickt die Chancen eines gedeckten Freibauern und konnte nach langem Kampf die Partie für sich entscheiden. Sein Zwillingsbruder, der Mephisto Y, hätte nach der frühzeitigen Eroberung eines Bauern wahrscheinlich auch gewinnen können, doch die gute Spielführung des Novag X rettete die Situation. Man einigte sich schon im 32. Zug auf Remis.

Der Sensory 9 konnte - wie schon in der ersten Runde - einen Bauernvorteil nicht verwerten und verbuchte ein weiteres Remis, diesmal gegen Constellation. Cyrus bot nicht genügend Widerstand gegen den Excalibur, der ohne große Schwierigkeiten seinen leichten Positionsvorteil in einen Sieg ummünzen konnte.

Eine exzellente Partie bekam das Publikum in der Begegnung zwischen Prestige und Super-Constellation zusehen, in der das Fidelity-Flaggschiff meisterhaft den gegnerischen Königsflügel attackierte. Nach 22 Zügen war die folgende Stellung entstanden:

Weiß am Zug



Weiß steht prächtig, doch noch scheint das schwarze Lager ausreichend verteidigt zu sein. Vor den staunenden Augen der Kiebitze ließ Prestige nun die gegnerische Stellung wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. Finden auch Sie die gewinnbringende Fortsetzung? (Die Lösung finden Sie am Ende des Beitrags).


Ossi Weiner und Elmar Henne (Hegener + Glaser)
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Elite geht in Führung

In der dritten Runde begann sich bereits, die Streu vom Weizen zu trennen. Die zwei Favoriten Novag X und Prestige lieferten sich ein langes, kompliziertes Gefecht. Das Experimentalgerät aus Hongkong kam mit den Verwicklungen am Ende besser zurecht und brachte dem Prestige die erste Niederlage bei.

Am Spitzenbrett musste sich Elite nach einem heftigen aber nicht ganz geglückten Mittelspielangriff im Endspiel gegen Mephisto X mit einem Turm gegen Läufer und Springer durchsetzen. Geschickt lenkte er die gegnerischen Figuren auf ungünstige Felder und holte sich schließlich einen Bauern nach dem anderen: 1:0 im 55. Zug. Elite hatte mit drei Siegen die alleinige Führung übernommen. Auf Platz 2 folgte Novag X mit 2,5 Punkten.

Gedrückte Stimmung herrschte dagegen im Mephisto-Lager. Zum großen Ärgernis der Münchner überschritt Mephisto Y in besserer Stellung gegen Chess 2001 X die Zeit und verlor so den Anschluss an die Spitze. Lediglich der Excalibur konnte einen grauenhaft schlecht spielenden Chess 2001 mattsetzen.

Die kürzeste Partie des Turniers gewann Constellation, der in weniger als zwei Stunden seinen Gegner bezwang:

Wundersame Rettung

Am vierten Tag konzentrierten sich die Blicke auf den Zweikampf der Spitzenreiter Elite A/S und Novag X. Würde Elite seine Führung verteidigen können? Beide Programme schienen sich der Wichtigkeit dieser Begegnung bewusst zu sein. Es wurde ein Kampf zweier gleichstarker Gegner, in dem keiner dem anderen etwas schenkte. Seine etwas ungünstigere Bauernstellung wurde dem Elite im Endspiel schließlich zum Verhängnis. Nach langem Manövrieren konnte der Novag-Computer zwei Bauern erobern und die Stellung durch Abtausch noch weiter vereinfachen. Die Sache kam ins Rollen. Durch Zugzwang ging der letzte weiße Bauer verloren, die Lage für Elite war hoffnungslos:

Schwarz am Zug



Doch nun wusste Novag X nicht so recht weiter: 73...g4 74.Sf5 Kg6 75.Sg3 Kf7 76.Sf5 Kg8 77.Kc3 Kf7 78.Kd4. Plötzlich gab es hellste Aufregung am Spieltisch: Das halbe Elite-Brett hatte begonnen, aufzublinken. Kathe Spracklen, die in den letzten Minuten nur noch nervös auf ihrem Stuhl herumgerutscht war, sprang auf und lief mit Freudentränen in den Augen zum Schiedsrichter. Ihr Computer hatte eine dreimalige Stellungswiederholung entdeckt. Die Nachprüfung brachte Gewissheit: Remis! So erleichtert Kathe in diesem Augenblick war, so geknickt war auf der Gegenseite Dave Kittinger. Wie konnte sein Programm das übersehen haben?


Tag der Kuriositäten

Doch dies sollte nicht die einzige Aufregung des Tages bleiben. Mark Taylor musste sich geschlagen geben, weil sein Programm Cyrus im Spiel gegen Chessmaster auch nach mehrfachen Reparaturversuchen auf einen illegalen Zug bestand. In der Partie

Constellation gegen Prestige war ein Bauernendspiel entstanden, in dem ein unscheinbarer Königszug zum Erstaunen aller Zuschauer zum Verlust führte:

Programm-Autoren diskutieren zwischen den Runden. Von links sitzend: David Levy, Thomas Nitsche, Kathe Spracklen, Elmar Henne, Dieter Steinwender; vorne kniend: Kaare Danielsen und David Kittinger.
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Weiß am Zug



Leicht hätte hier nun 67.g4 oder 67.Kf4 remis gehalten, z.B. 67.g4 Kh2 68.Kf4 Kh3 69.g5 hxg5 70.Kxg5 remis, oder 69... h5 70.Ke5 Kxh4 71.Kf6 Kg4 72.Kxg6 h4 73. Kf6 h3 74.g6, beide Seiten holen sich eine Dame, remis.

Stattdessen spielte Constellation (der Hang zur Zentralisierung?) 67.Ke3? und nun führte Prestige einen studienartigen Gewinn vor: 67... Kg2 68.Kf4 Kh3 69.Kf3 g5! 70.h5 (nach 70.hxg5 hxg5 71.Kf2 g4 gerät Weiß in die Trebuchet-Falle und muss seinen Bauern verlassen) 70...Kh2 71.Kg4 Kg2 72.Kf5 Kxg3 73.Kg6 Kf4! 74. Kxh6 g4 75.Kg7 g3 76.h6 g2 77.h7 g1D+ 78.Kf7 Da7+ 79.Kg6 Dd4 und Dave Kittinger gab die Partie für Constellation auf. Viele Kiebitze glaubten, dass 79.Kg8 das Remis noch gesichert hätte, aber wer die Moravec-Aufgabe aus CSI 2/83 (S.19) genau studiert hat, kennt schon das Gewinnmotiv: 79.Kg8 Kf5 80.h8D Kg6! und Schwarz muss seine Dame gleich wieder hergeben.

Effekthascherei

Auch Computer scheinen einen Sinn für Ästhetik zu haben und auf bewundernde Blicke der Zuschauer schlecht verzichten zu können. Das zeigte die Partie zwischen Gedeon X und Chess 2001:

Schwarz am Zug



Statt mit 54...De2+ 55.Kh1 Df3+ 56.Kgl Df1 einfach mattzusetzen, zog Chess 2001 den spektakulären Zug 54... Dxh3+!!? vor. Den Zuschauern stockte einen Augenblick lang der Atem. Doch dann klopften sie David Levy auf die Schulter: Sein Programm würde nach 54.Kxh3 Lf1+ ein wunderschönes Mattbild vorführen. Leider war Gedeon X für solche Späße nicht aufgelegt und ließ sich lieber durch 55.Khl Df3+ 56.Kg1 Df1 mattsetzen. Keiner bemerkte, dass nach 55.Kf2 die Partie sicher noch einige Züge länger gedauert hätte.


Elite schlägt wieder zu

Auch in der fünften Runde stand die Frage im Raum: Wer kann Elite eigentlich noch gefährlich werden? Chess 2001 X konnte es jedenfalls nicht. Nach 25 Zügen war die folgende Stellung erreicht:

David Levy bedient seinen Computer Chess 2001 X
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Chess 2001 X - Elite A/S
Schwarz am Zug



Das Levy-Programm (Weiß) hatte gerade seine Dame von der Verteidigung des Damenflügels abgezogen und auf das ziemlich unsinnige Feld g1 gestellt. Diese Gelegenheit ließ sich Elite nicht entgehen und schlug erbarmungslos zu. Finden auch Sie den entscheidenden Zug? (Lösung am Ende des Beitrags).

Der Mephisto Excalibur hatte mit Novag X einen schweren Gegner. Trotzdem lief es zunächst prächtig für den deutschen Schachcomputer: Im 30. Zug gewann er einen Bauern, im 40. die Qualität. Die Partie war klar gewonnen. Doch dann verließen ihn die Kräfte:

Weiß am Zug



Offenbar wähnte sich Excalibur bereits im Endspiel, denn der König verließ nun frohen Mutes die schützenden Bauern, lief ins


Zentrum und damit dem Gegner direkt ins Messer. Schauen wir uns das traurige Ende an: 55.Ke3? De1+ 56.Kd3 Lxa5 57.De5+ Kh7 58.Df6 Dd2+ 59.Kc4 Db4+ 60.Kd5 Db3+ 61.Kc5 Lc3! (droht Db5 matt) 62.Td4 Db5+ 63.Kd6 Db6+ 64.Ke7 Dxf6+ 0:1

Bester Zug des Turniers

Schon nach 14 Zügen waren in der Partie Super-Constellation gegen Chess 2001 alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Königsangriff geschaffen:

Weiß am Zug



Schwarz hatte gerade mit Lg6xe4 einen Bauern verspeist, der ihm noch schwer im Magen liegen sollte. Der Super-Conny spielte nun eine überfallartige Kombination, die den anwesenden Großmeister Istvan Bilek in höchste Verzückung versetzte. Die großartige Abwicklung enthielt einen Zug, den Bilek als "eindeutig den besten des gesamten Turniers" bezeichnete. (Lösung am Schluss).

Zu einem aufregenden Ereignis wurde die Partie Prestige-Mephisto X, in der es zu einem dramatischen Zwischenfall kam, über den wir im anschließenden Beitrag ausführlich berichten.

Partien von hohem Niveau

Am sechsten Spieltag wurde es noch einmal spannend. Mephisto X bekundete mit einem hervorragenden strategischen Sieg über den Sensory 9 seinen Anspruch auf einen der vorderen Plätze. Elite musste gegen Super-Constellation im Mittelspiel seine Dame für Turm und Läufer hergeben und war zeitweilig in großer Gefahr, die Partie zu verlieren. Doch er verteidigte sich zäh und konnte in einem langwierigen Endspiel noch einen halben Punkt retten. Novag X gewann gegen Superstar, so dass am Ende der sechsten Runde Elite und Novag X mit je fünf Punkten die Tabelle anführten.

Aber auch Prestige wollte bei der Titelvergabe noch ein Wörtchen mitreden. In einer hochkarätigen Partie besiegte er Mephisto Excalibur und kam so auf 4,5 Punkte (Kommentar: Dr. Laslo Lindner).

Die Entscheidung

Die siebte und letzte Runde sollte noch einmal dramatische Ereignisse bringen. Constellation verlor wieder durch Zeitüberschreitung (gegen Gedeon), diesmal ärgerlicherweise in klar besserer Stellung. Diese Scharte konnte allerdings sein schnellerer Bruder wieder auswetzen: Super-Constellation besiegte den Excalibur in einer scharfen Angriffspartie, nachdem der deutsche Computer schon in der Eröffnung einen groben Fehler begangen hatte. Die Titelaspiranten machten sich das Leben besonders schwer. Völlig unerwartet wurde Prestige von Chess 2001 mattgesetzt. Auch Novag X gab alle seine Chancen auf, als er sich gegen Mephisto X auf eine zweifelhafte Kombination einließ. Der Rechner aus München gewann und schob sich damit auf einen der vordersten Plätze. Besonders aufregend wurde es in der Partie Superstar-Elite. Der große Favorit geriet gegen den SciSys-Neuling unter starken Druck und konnte nur mit Mühe den taktischen Sticheleien seines Gegners ausweichen. Es entstand ein schwieriges Turmendspiel, das vermutlich remis geworden wäre. Doch es sollte anders kommen. Superstar brütete zu lange über seinen 40. Zug, das Blättchen fiel und Elite war Weltmeister!

Lösungen

Prestige gegen Super-Constellatiom Chess 2001 X gegen Elite A/S

Super-Constellation gegen Chess 2001

Weblinks



siehe auch