Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 4

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...Bis zum bitteren Ende

4. und letzter Teil: 1990 - 1993

Wie bereits in Teil 3: 1985 - 1989 erwähnt, erschien am 14. September 1989 aus München eine Pressemitteilung, in der eine "Elefantenhochzeit im Bereich Schachcomputer" Publik gemacht wurde.

Des Rätsels Lösung: Fidelity Electronics Ltd. USA wurde von der Hegener + Glaser AG übernommen! Der lästige "Hauptkonkurrent" wurde einfach aufgekauft.

Dieser Pressemitteilung ging jedoch ein längeres Procedere voraus. Nachdem der Firmenchef Manfred Hegener im Vorfeld die Übernahme des Mitbewerbers via Fernsehen bereits bekanntgegeben hatte, schrieb ein offensichtlich für beide Seiten tätiges Anwaltsbüro aus Miami an alle Gläubiger von Fidelity eine Mitteilung mit folgendem Inhalt: Zum 1.9.1989 werden sämtliche Aktiva (z.B. Patente. Lizenzen, Büro- und Geschäftsausstattung, Warenlager. Forderungen etc.) an die noch neu zu gründende Fa. Hegener + Glaser Inc. in Miami übertragen. Gleichzeitig sollte die neue Firma mögliche Schulden von Fidelity nicht ohne weiteres übernehmen. Es wurden Außenstände Fidelitys in Höhe von 300.000 US$ und eine Kaufpreissumme von 4.500.000 US$ genannt. Zwei Tage darauf schickte ein erboster Sid Samole persönlich einen Brief an sämtliche Geschäftspartner. Er teilte darin mit, dass die Anwaltsfirma nicht von ihm autorisiert gehandelt hätte und dass sämtliche Verbindlichkeiten sehr wohl beglichen würden. Ferner sei der genannte Kaufpreis nur ein Bruchteil des tatsächlich zur Verhandlung stehenden Kaufpreises und "die Position von Fidelity müsse neu überdacht" werden. Dies war dann offenbar in der Zwischenzeit geschehen und man einigte sich schließlich und endlich doch noch. Der tatsächliche Kaufpreis lag nun bei 7 Millionen US-Dollar, was etwa dem 4-fachen des damaligen Jahresgewinns von Fidelity entsprach. In den USA bestand Fidelity Electronics als eigenständiges Unternehmen, d. h. als "Tochterfirma" mit eigener Vertriebs- und Produkttechnik und unter der Führung von Sid Samole sowie aller leitenden Mitarbeiter jedoch weiter. Ironischerweise wurde diese Verlautbarung aus München zeitgleich bei der Eröffnung der Schachcomputer-WM im jugoslawischen Portoroz bekanntgegeben, bei der Fidelity -wie bereits erwähnt- nicht teilnahm.

Damit stand fest, dass ab Ende 1989 die große Zeit der Fa. Fidelity Electronics auf dem europäischen Markt endgültig vorbei war. Die Hegener + Glaser AG besaß auf diesem Sektor nun eine absolute Vormachtstellung, was sich auch in den damaligen Jahresumsatzzahlen (H+G: 52.6 Mio. DM, Fidelity 10 Mio US$) sowie in den Platzierungen der Spitzengeräte in der Schwedischen ELO-Liste widerspiegelte. Das erste Gerät, welches nicht aus der "Mephisto-Fidelity Schmiede" entsprang, lag erst auf Platz 15!

Der Alleinvertrieb für die Fidelity-Geräte auf dem hiesigen Markt ging im Zuge der Übernahme durch die Hegener + Glaser AG wieder unter die Fittiche von Ossi Weiners "Hobby Computer Centrale GmbH" mit Sitz in München, welche sich nun offiziell "Fidelity Deutschland" titulieren durfte.

Master 2325 Mach IV - Foto von Kurt Kispert

Doch wenden wir uns jetzt der Gerätepalette von Fidelity ab der 2. Jahreshälfte 1989 zu. Ab diesem Zeitpunkt erschien der Fidelity Master 2325 (Mach IV) auf der Bildfläche. Bei diesem in schwarz-silber gehaltenen Plastik-Boliden handelte es sich um das gleiche Programm, welches bei der Computer-WM 1988 in Almeria an den Start ging und im Gewand der bereits in ChessBits 3 vorgestellten Mach II und Mach III-Reihe erschien. Er war für 3.998,-- DM zu erstehen. Die Elektronik hatte es aber in sich: Der Motorola 68020-Mikroprozessor mit 20 MHz Taktfrequenz machte ihn damals zum schnellsten, serienmäßig erhältlichen Gerät auf dem Markt. Lediglich eine für rund 15.000.-- DM in limitierter Auflage erhältliche Spezialanfertigung des Schachcomputer-Weltmeisters Mephisto Portorose 68030 mit 36 MHz, 128 KB ROM und 2 MB RAM übertraf ihn noch deutlich in der Geschwindigkeit. Der schnellste, serienmäßig erhältliche Mephisto München Portorose 68020 für 4.598,-- DM (128 KB ROM. 1 MB RAM) war "nur" mit 12 MHz getaktet. Der Mach IV verfügte über eine Programmgröße von 64 KB sowie über einen Arbeitsspeicher mit 512 KB RAM. Das Eröffnungsbuch umfasste 28.000 Positionen und erkannte Zugumstellungen. Vom weiteren Ausstattungsumfang war er mit den Mach II und Mach III-Geräten weitgehend identisch. Lange Zeit stand der Mach IV mit 2.091 ELO an der Spitze der Schwedischen ELO-Liste, ehe er dann vom Mephisto Portorose überflügelt wurde. Im taktischen Bereich sowie im Blitzschach war der Mach IV aufgrund seiner Geschwindigkeit eine kleine Facette stärker als der Mephisto Portorose 68020, im positionellen Bereich konnte er diesem aber das Wasser nicht reichen. Im Endspiel waren beide Geräte aufgrund der Hash Tables-Technologie riesenstark und der "Hash Table-losen" Schachcomputerkonkurrenz um Welten voraus.

Eigentümer von älteren Prestige- und Elite-Brettgeräten konnten ihr gutes Stück ebenfalls für den nicht unerheblichen Betrag von anfangs 4.395,-- DM auf den Stand des Mach IV updaten lassen.

Ebenfalls im 3. Quartal 1989 erschienen für den komfortorientierten Kundenkreis der bereits in Teil 3: 1985 - 1989 ausführlich vorgestellte Elite Avant Garde 2325 (Version 6) für schlappe 5.495,-DM. Er war mit einem Motorola 68.020 Prozessor mit 20 MHz, 128 KB ROM, und 512 KB RAM bestückt. Der "Schachmotor" war mit dem des Mach IV weitgehend identisch, verfügte jedoch über ein umfangreicheres Eröffnungsrepertoire mit 64.000 Positionen. Ferner hatte das elegante Edelholz Magnetsensorbrett einen wesentlich größeren Spielkomfort und Ausstattungsumfang als der Mach IV zu bieten.

Elite Avant Garde V9

Ende 1989 wurde der Elite Avant Garde 2325 in der "Version 9" (Motorola 68030 mit 32 MHz, 128 KB ROM, 1.024 KB RAM) für anfangs sage und schreibe 12.950,-- DM (!) Schach-Enthusiasten zum Kauf angeboten. Die stolzen und betuchten Erwerber hatten an den ersten verkauften Exemplaren allerdings ihre wahre (Un)-Freude, da diese aufgrund thermischer Probleme mehr durch permanente Programmabstürze als durch schachliche Glanzleistungen auf sich aufmerksam machten. Später bekam Fidelity durch leistungsstärkere Ventilatoren bzw. verbesserte Prozessorkühlkörper dieses Problem weitgehend in den Griff. In der Schwedischen Liste konnte sich die Version 9 immerhin bei heute noch gültigen 2.122 ELO-Punkten etablieren. Spielstärkemäßig lag diese Version etwa zwischen dem WM Mephisto Portorose 68020 und dem Mach IV. Das Almeria Programm von 1988 war aber damals schon nicht mehr ganz taufrisch. Immerhin konnte der Elite Version 9 mit etwas Glück 1990 das bekannte Welser Computerturnier (Österreich) mit 7 Punkten nach "Buchholz-Wertung" gewinnen (vor dem Mephisto Portorose 68020 12 MHz (7 Punkte) und Mephisto Portorose 68030 36 MHz (6 Punkte) sowie dem Mach IV/28 MHz (6 Punkte)).

Der horrende Preis der Version 9 war vor allem aufgrund des damals noch sehr teuren Motorola 68030-Prozessors sowie für die dafür notwendigen, schnellen Speicherbausteine zu erklären. Das Preis-/Leistungsverhältnis ließ somit sehr zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz bereitet es mir ab und an immer noch Freude, meine eigene Version 9 (die ich natürlich wesentlich billiger erworben habe!) auf der "Aktivschachstufe / 1 Std. pro Partie" gegen etwas ältere, etablierte PC-Programme wie Fritz 3 auf einem PC mit AMD K6 233 MHz antreten zu lassen. Dabei zelebriert der Elite des Öfteren ein nett anzusehendes Hauen und Stechen auf dem Schachbrett. Eben das bekannte "Dschungelschach". Auch wenn er sich aufgrund der geringeren Prozessor-Power sowie der kleineren Hash Tables irgendwann in einer Position "verheddert" und dann meistens zwangsläufig verliert, es ist faszinierend, ihn bei seiner "Rechenarbeit" zu beobachten. Insbesondere Bauernendspiele mit weit vorgerückten Freibauern werden von ihm nach wie vor brillant behandelt.

Für Leute mit einem etwas kleineren Geldbeutel wurde der bereits in Teil 3: 1985 - 1989 kurz vorgestellte Designer 2265 zu einem Verkaufspreis von 998,-- DM feilgeboten. Vom Innenleben beinhaltete er das bekannte, unveränderte Mach III-Programm (Motorola 68000 Prozessor mit 16 MHz, 64 KB ROM und 64 KB RAM für Hash Tables) aber mit verbesserten Features. Vom äußeren Erscheinungsbild hob sich sein helles Kunststoffgehäuse mit den neckisch hochgezogenen Kanten und dem in der Mitte integriertem LCD-Display wohltuend von den in schwarz-silber gehaltenen "Badewannen" der Vorgängermodelle ab. Die Züge des Designer wurden allerdings aus Kostenersparnisgründen im Gegensatz zu den diversen Mach-Modellen nur über 16 Rand-LED's übermittelt. Es konnte wie beim Mach III zwischen Netz- und Batteriebetrieb ausgewählt werden.

Anfang 1990 spielte Fidelity wieder ein mal eine Vorreiter-Rolle und präsentierte mit dem Elite Avant Garde 2265 Version 5 den ersten Schachcomputer mit zwei (!) Motorola 68000-Prozessoren (getaktet mit 16 MHz), 128 KB Programmumfang (ROM) und 192 KB RAM. Der Verkaufspreis betrug 2.998.-- DM. Das interessante an diesem neuen Gerätekonzept war, dass der eine Prozessor als "Meister" (Master) und der andere Prozessor als "Sklave" (Slave) bei den Berechnungen agierte. Von der schwedischen Schachcomputerzeitschrift Ply in 1990 durchgeführte Stellungstests ergaben jedoch nur einen durchschnittlichen Geschwindigkeitszuwachs von 58% gegenüber dem herkömmlichen Ein-Prozessor-System des Elite Avant Garde Version 2. In manchen Stellungen war die Version 5 sogar langsamer als die Version 2. Der Grund hierfür lag ganz einfach beschrieben, unter anderem in der internen "Arbeitsaufteilung" der beiden Prozessoren sowie der Hash Table Verwaltung. Weitere interessante Hintergrundinformationen zum Thema "Multiprozessing" können in Modul Ausgabe 2/1990 S. 27 nachgelesen werden.

Renaissance Brett

Etwa zum gleichen Zeitpunkt wurde der Wechsel des Programmierer-Ehepaares Dan und Kathe Spracklen von Fidelity zu Saitek nach einer immerhin über 9 Jahre andauernden Zusammenarbeit bekannt. Die Ursache hierfür war auch nicht Eingeweihten schnell klar: Mephisto hatte mit dem Engländer Richard Lang bereits einen Spitzenprogrammautor unter Vertrag, der mit seinen "Geschöpfen" seit 1985 in ununterbrochener Reihenfolge alle Mikro-Weltmeisterschaften siegreich für sich entscheiden konnte. Die Spracklens sahen nach der Übernahme durch die Hegener + Glaser AG keine Möglichkeit mehr, sich für "höhere Weihen" zu empfehlen. Es dauerte aber bis etwa Ende 1993, bis Sie nach viel Experimentierarbeit mit dem Saitek Sparc ein neues, eigenständiges Programm auf den Markt brachten. Es handelte sich dabei um ein Renaissance-Brett mit einem auf 20 MHz getakteten RISC-Prozessor, dessen Programm einen Umfang von 256 KB ROM aufwies und dem ein Arbeitsspeicher von 1 MB für Hash Tables zur Verfügung standen. In der schwedischen Liste konnte sich der Sparc bei etwa 2.222 ELO Punkten etablieren. In dieser Zeit wurde von den Spracklens übrigens auch das populäre Schachprogramm Sargon für PC-Anwendungen weiter verbessert und verfeinert. Diese beiden Programme erschienen später dann in Gestalt des Sargon IV bzw. Sargon V (von ACTIVISION) auf dem Markt.

Tiny

Diesen blieb allerdings ein größerer kommerzieller Erfolg versagt.

Auf der Nürnberger Spielwarenmesse im Februar 1990 stellte Fidelity eine Reihe von weiteren Neuentwicklungen vor. Im unteren Preissegment wurde mit dem Tiny Chess ein kleines Taschengerät (7,6 x 7.6 cm) für 99.-- DM mit integriertem Stecksensorbrett und LC-Display sowie einem 8 MHz Singlechip vorgestellt. Das Programm wies nur einen Umfang von 4 KB aus und war für Anfänger bzw. Neueinsteiger konzipiert worden. Dieses Gerät wurde nach der Übernahme bereits von der Hegener + Glaser AG hergestellt und war dort unter der Bezeichnung Mephisto Mini ein alter Bekannter.

In einer anderen "Verpackung" präsentierte sich der Junior. Es handelte sich hierbei um ein Tischgerät mit Drucksensorbrett (17.5 x 17,5 cm) und 16 Rand LED's für 169,-- DM, welches für Netz- und Batteriebetrieb ausgelegt war. Programmtechnisch war er bis auf ein eigenes. 100 Halbzüge umfassendes Eröffnungsrepertoire, mit dem Tiny identisch.

Marauder

Ferner wurde der Marauder neu vorgestellt, der ebenfalls von Hegener + Glaser für Fidelity produziert wurde und dessen technische Daten, Größe und Aufmachung dem Junior zum Verwechseln ähnelte.

Für Einsteiger und Gelegenheitsspieler wurde der exotisch klingende Eldorado für 128,-- DM mit in die Angebotspalette aufgenommen. Im Inneren verrichtete ein bis auf 2 KB abgespecktes Gambit-Programm (das bereits in Teil 3: 1985 - 1989 vorgestellt wurde) auf einem mit 6 MHz laufenden Singlechip seinen Dienst. Das 20 x 20 cm große Drucksensorbrett mit 16 Rand-LED's war auf ein imitiertes Holz-Outfit (Kirschbaumholzlook) getrimmt.

Vom Genesis konnte man sich auf der Messe nicht in natura sondern nur per Prospekt einen Eindruck verschaffen. Es handelte sich um ein äußerst elegantes Drucksensorgerät in High-Tech-Silberlook. (23,5 x 23.5 cm) mit 16 Rand LEDs. Er war mit einem Single-Chip Prozessor und einem 4 KB-Programm ausgestattet und spielstärkemäßig in etwa mit dem Tiny vergleichbar.

Genesis Prospekt

Einen weiteren, messewirksamen Gag präsentierte Fidelity mit dem Chesster Challenger für rd. 498,-- DM, der im Gehäuse der Designer-Reihe aufgelegt wurde. Dem menschlichen Gegner des Chesster sollte der Eindruck vermittelt werden, nicht einer gewöhnlichen "Plastikschachtel", sondern einer eigenständigen Persönlichkeit gegenüber zu sitzen. Wie der Chess Challenger Voice aus dem Jahre 1979 konnte dieses Ding richtig "sprechen". War der Wortschatz beim Voice und seinen Nachfolgern Elite bzw. Prestige noch auf die Ansage der Zugnotationen, Spielstufeneinstellung, Spielstandskontrolle sowie Matt und Patt beschränkt, war der Chesster schon aus einem ganz anderen Plastik gespritzt: Er garnierte sein Schachspiel sowie seine Einfälle und Irrtümer mit

Chesster - Foto von Kurt Kispert

spielstandsbezogenen und sinnvollen Kommentaren, die er aus einem Vokabular von 500 Wörtern schöpfte. Die Sprachausgabe war im Gegensatz zu den "blechernen" Vorläufern angenehm melodisch, da diese nicht aus einem Soundchip stammte, sondern direkt von dem Mikroprozessor erzeugt wurde. Programmtechnisch war er weitgehend mit dein bereits besprochenen Designer 2000 identisch. Die Idee sowie die technische Umsetzung stammte übrigens noch von Kathe Spracklen. Das Programm umfasste 160 KB, wobei ein großer Teil natürlich für das Sprachvokabular reserviert werden musste und lief auf einem 6502 Prozessor mit 3 MHz Taktrate. Leider gab es aber einen kleinen Wehrmutstropfen: Das Gerät erschien zunächst nur mit einer englischen Sprachausgabe. Für die Umsetzung in die deutsche Sprache wurde von Fidelity ein populärer israelischer Satiriker beauftragt ...Doch dazu später mehr...

Peri Epsilon - Foto von Kurt Kispert

Fidelity hatte auch nach der Übernahme durch die Hegener + Glaser AG nicht nur Schachcomputer im Programm. Die Bereiche Bridge, Backgammon, Go sowie Chinesisches Schach wurden weiterhin abgedeckt. Der Vertrieb dieser Geräte erfolgte aber vorwiegend in den USA. Kaufinteressenten aus Deutschland konnten sich diese Geräte aber in hiesigen Spezialfachgeschäften beschaffen. Auch der österreichische Spielproduzent Peri, der sich in erster Linie auf ein elegantes und exklusives äußeres Design spezialisierte, brachte im "Hochpreissegment" mit dem Peri Epsilon ein wunderschönes Gerät auf den Markt. Im Inneren steckte ein Motorola 68.000 Prozessor 16 MHz mit dem Programm des Designer 2265, der auch imstande war, einem stärkeren Schachspieler genügend Widerstand entgegenzusetzen. Bei dieser limitierten Luxusversion für 2.500.-Märker war das eigentliche Spielfeld von einem leicht rötlich gebeizten Birnenholzrahmen umgeben. Zusätzlich gab es ein integriertes Ablagekästchen für die geschlagenen Schachfiguren.

Bei der Micro-Computer WM in Lyon 1990 nahm Fidelity aus verständlichen Gründen nicht teil. Man wollte (oder hatte) ja dem hauseigenen Mutterkonzern Hegener + Glaser AG keine Konkurrenz machen. Somit wurde der Mephisto Lyon zum x-ten Male wieder Weltmeister.

Zum Jahresende 1990 brachte Fidelity mit dem Elite Avant Garde Version 10 den seinerzeit schnellsten und leistungsfähigsten Mikro-Schachcomputer der Welt heraus. Das allerdings zum Preis eines Kleinwagens. Für dieses High-End Gerät mussten nämlich anfangs knapp 18.000,-- DM locker gemacht werden, wobei der Preis je nach Dollarkurs schwankte. Die Version 10 konnte nur auf gesonderte Anfrage bei Schachcomputer Spezialgeschäften beschafft werden. Nach der eingegangenen Bestellung wurden die Geräte dann von Fidelity-Ingenieur Ron Nelson jeweils einzeln angefertigt. Die Hardware hatte es für damalige Verhältnisse in sich: Ein brandneuer Motorola 68040-Prozessor mit 25 MHz, 128 KB ROM Programmumfang, 1.024 KB RAM. Bei optimaler Nutzung hätte sich bei der Abarbeitung des Programmes eine Verdoppelung der

Version 10 - Foto von Kurt Kispert

Geschwindigkeit gegenüber der Version 9 mit 68030-Prozessor ergeben müssen, was sich aber nach diversen Tests nicht bestätigte. Der Grund hierfür lag darin, dass mit dem Weggang der Spracklens keine Programmanpassungen und -optimierungen mehr auf die neue 68040-Hardware erfolgten und die bisher auf den Motorola 68030 abgestimmte Programmversion einfach unverändert übernommen wurde. Im wirklichen Spielbetrieb, z.B. im Turnierschach, konnte der 68040 somit seine überlegene Geschwindigkeit (er brachte es in dieser Konfiguration auf ca. 20 MIPS) nicht optimal ausspielen. Der Geschwindigkeitszuwachs gegenüber der Version 9 wurde nur auf etwa 30%. geschützt. Eigene Untersuchungen (z.B. den Bednorz-Tönissen Test) mit meiner Version 9 zur Bestätigung dieser These konnte ich bisher mangels Verfügbarkeit einer Version 10 leider nicht durchführen.

In einem anderen Bereich brachte der 68040-Prozessor allerdings seine Stärken voll zur Geltung und zwar im Fernschachbereich. Bedingt durch die stark Brute Force geprägte Programmstruktur konnte das Aufdecken von taktischen Feinheiten und Finessen ganz neue Perspektiven eröffnen. Nicht umsonst benutzte der ehemalige Schachweltmeister Anatoly Karpov das erste serienmäßig erhältliche Gerät für die Eröffnungsvorbereitung und zur Analyse von Hängepartien im WM-Kampf 1990 gegen Garri Kasparov.

Kishon Chesster

Der große Renner auf der Nürnberger Spielwarenmesse vom 31.1. bis 6.2.1991 war der Kishon Chesster. In Zusammenarbeit mit der Hegener + Glaser AG hatte Fidelity dem bereits vorher in diesem Artikel vorgestellten (englisch sprechenden) Chesster zu einer neuen, deutschsprachigen Persönlichkeit verholfen. Die Stimme sowie die sprachlichen Inhalte stammten von dem bekannten, israelischen Humoristen und Satiriker Ephraim Kishon, welcher dem Gerät eine "elektronische Seele" eingehaucht hatte. Dieser Plastikkasten im bekannten, grauen Designer-Gehäuse gab situations- und stellungsbedingte Frechheiten von sich, die den Benutzer laufend überraschen und zum Teil düpieren sollten. Eine kleine Auswahl der Sprüche ,,gefällig“? "Entschuldige, bist Du ein Anfänger?" "Steig aus Freundchen, solange es noch möglich ist" "Gib endlich auf!" "Ich sterbe vor Langeweile" "Der billigste Computer spielt besser als Du!" usw., usw. Der Kishon Chesster eignete sich auch vorzüglich als Party-Gag und war auch für "Nicht-Schachspieler" ein interessantes Objekt was ich auch aus eigener Erfahrung mit meinem Exemplar bestätigen kann. Aus über 300 Satzteilen wurden die Kommentare des Computers zusammengestellt, wofür ein Speicher mit einem Umfang von 512 KB erforderlich war. Das noch von Kathe Spracklen stammende Schachprogramm hatte einen Umfang von 32 KB und lief auf einem 65C02 Prozessor mit 3,6 MHz. Das Eröffnungsrepertoire umfasste 16.000 Halbzüge. Die Züge wurden per 16 Rand-LEDs mitgeteilt. Netz- und Batteriebetrieb war möglich. Der ganze Spaß war für 498,-- DM zu haben. Dass das Schachprogramm auch nicht von schlechten Eltern war, bewies der Kishon Chesster bei einer Simultanpartie in München gegen die Weltranglisten-Zweite der Frauen, Zsuza Polgar. Diese strich nach 46 Zügen die Segel und gab die Partie auf. Die Partienotation kann in der Europa-Rochade, Ausgabe Juni 1991, nachgelesen werden.

Damit Sie sich selbst einen kleinen Eindruck von diesem Gerät verschaffen können, nachfolgend eine Spaßpartie zwischen den beiden "Plappermäulern" Kishon Chesster und Fritz 6 auf einem schnellen PC. Die Kommentare stammen alle vom Kishon Chesster:

Im Juli 1991 schied Sid Samole aus der Firmenleitung von Fidelity USA aus. An seiner Stelle übernahm das Hegener + Glaser-Vorstandsmitglied Dr. Alfred Prommer die Geschäfte in Miami. Damit verlor Fidelity eines seiner "Urgesteine“. Doch dazu später mehr...

Der langsame, nun nicht mehr aufzuhaltende "Ausverkauf" von Fidelity machte sich einige Monate später nun auch in den Aktivitäten des Fidelity-Deutschland Distributors, der Hobby Computer Centrale GmbH in München, bemerkbar: In einer Großanzeige, welche in der Europa-Rochade vom April 1992 erschien, wurde eine größere Stückzahl von nagelneuen Fidelity-Geräten in Form einer Versteigerung an den Meistbietenden angepriesen.

Vancouver 68030

Bei der Mikro-WM in Vancouver im Herbst 1991 glänzte Fidelity wie bereits in den Vorjahren durch Abwesenheit. Der absolute WM-Titel wurde in einem "toten Rennen" zwischen Gideon(Chess Machine) und Mephisto Vancouver 68030 aufgeteilt.

Ab dem 2. Quartal 1992 erschien mit dem Travel Master noch ein neuer Reiseschachcomputer für ca. 248,-- DM auf dem Markt, der von Fidelity bereits 1990 in den USA angekündigt und kurz darauf auch in den Mephisto-Prospekten präsentiert wurde. Das Gerät kam aber aufgrund technischer Probleme mit dem Mikroprozessor nicht zur Auslieferung. Mit den Ausmaßen 17,1 x 8,6 x 2,5 cm im zusammengeklappten Zustand war es ein wirklich handliches Gerät. Aufgeklappt kam dann ein 10,4 x 10.4 cm messendes, sauber eingepasstes, in schwarz-silber, gehaltenes Drucksensor-Schachbrett, sowie ein relativ großes 4-stelliges LCD-Display und 16 farblich abgesetzte Bedienungstasten zum Vorschein. Mit vier Mignon-Zellen konnte er bis zu ca. 150 Stunden betrieben werden. Auch ein Adapterbetrieb war möglich. Im Inneren verrichtete ein nur 16 KB großes Schachprogramm von Frans Morsch (dem Autor von Fritz) auf einem H8-Single-Chip Prozessor mit 10 MHz seinen Dienst. Die Eröffnungsbibliothek war mit nur 2.000 Halbzügen eher breit als tief ausgelegt (was der Abwechslung zugute kam) und erkannte sogar Zugumstellungen. Das Mittelspiel war sehr taktisch geprägt und stand wesentlich teureren Geräten in nichts nach. Für Endspielkenntnisse reichte der Speicherplatz nicht mehr ganz aus, und so offenbarte er in diesem Partieabschnitt auch manche Lücken.

Travel Master

Aufgrund einiger nicht unerheblicher technischer Mängel sowie Programmfehler, wurde das Gerät im Spätsommer 1992 von Fidelity zurückgezogen. Wegen einer drohenden rechtlichen Auseinandersetzung mit der Fa. Saitek, des Schweizers Eric Winkler, welche in der Zwischenzeit die Rechte an diesem Programm erworben hatte, erschien das Gerät dann nicht mehr auf der Bildfläche. Saitek brachte später das Programm in Form eines Stecksensorbrettes mit verbesserter und ausgereifterer Technik unter der Bezeichnung Saitek Travel Champion 2080 für 248.-- DM heraus. Infolge dessen ist der Travel Master aufgrund der sehr geringen nach Deutschland importierten und verkauften Stückzahl heute ein beliebtes Sammlerstück.

Designer 2325 Master

Ebenfalls neu auf den Markt kam zu diesem Zeitpunkt der Designer 2325 Master. Er beinhaltete die bereits ausführlich vorgestellte Technik und das Programm des Mach IV in einem Gehäuse der Designer-Reihe, welche allerdings aufgrund des damals aufkommenden PC- und RISC-Karten - Booms nun zu einem wesentlich günstigeren Verkaufspreis von 1.498.-- DM angeboten wurde. Als Zubehör gab es einen Koffer für 120.-- DM.

Für sämtliche Elite-Versionen wurde unter der Bezeichnung Eaglink 1.0 unter DOS auch ein PC-Interface für 120,-- DM angeboten, welches mittels einer seriellen Schnittstelle an sämtliche Elite-Versionen angekoppelt werden konnte. Dieses Kommunikationsprogramm gestattete nun einen wesentlich tieferen Einblick in die errechneten Hauptvarianten, der "intern" berechneten Züge sowie der Stellungsbewertung, allerdings leider nur auf einer total antiquierten Schwarz-Weiß-Oberfläche. Die Elite waren mit diesem Programm sogar befähigt, automatisch verschiedene Stellungen zu analysieren und die Ergebnisse in einer eigenen Textdatei abzulegen.

Elite Premiere

Die letzte Neuerscheinung von Fidelity auf dem deutschen Markt war der Elite Premiere für 1.998,-- DM. Wie der Name bereits andeutet, war dies der erste "Zweihirn-Schachcomputer" der Welt. In ihm pochten zwei Seelen in einer Brust, nämlich die Programme der früheren "Erzfeinde" Elite Version 2 und des WM Mephisto Vancouver. So etwas kann man auch "Wiedervereinigung auf Schachcomputerebene" nennen! Äußerlich glich er den bisher erschienenen Elite-Versionen wie ein Ei, nur mit dem Unterschied, das man mittels eines kleinen Schalters an der rechten Seite zwischen diesen beiden Programmen auswählen konnte. Im Inneren arbeitete ein 68000 Prozessor mit 16 MHz, jedoch wuchs der Programmumfang logischerweise auf 256 KB an. Leider bestand aber für experimentierfreudige Freaks keine Möglichkeit, mitten in einer Partie die augenblickliche Brettstellung an das andere Programm zu übergeben. Man musste die Stellung also komplett neu eingeben. Auch das automatische Spiel beider Programme gegeneinander war nicht möglich. Trotz dieser Nachteile hatte der Elite, zusammen mit dem Vancouver Programm, doch einiges mehr an Ausstattungsumfang zu bieten, darunter

  • Bis zu 48 Partien abspeicherbar
  • Einstellbare Spielstile
  • Einstellbare Selektivität
  • 6 einstellbare Eröffnungsbibliotheken
  • Wert einer jeden Figur war veränderbar
  • Erweiterbare Eröffnungsbibliothek

Es konnten sogar, was bisher bei Programmen von Richard Lang nicht möglich war, mittels eines angeschlossenen Druckers Partieausdrucke mit Zeitverbrauch, Suchtiefe, Varianten, usw. ausgedruckt werden.

In den USA gab es inzwischen den Phantom Chesster, bei dem das bereits ausführlich in Teil 3: 1985 - 1989 vorgestellte vollautomatische Phantom Brett mit der Technik des Milton Bradley und den schlauen Sprüchen des Fidelity Phantom Chesster kombiniert wurde. Dabei wurden die Schachfiguren mittels eines im Gerät verborgenen Plotters wie von Geisterhand auf dein Schachbrett hin- und hergeschleift. Zwei auf der Vorderseite angebrachte grüne Leuchtdioden, die er aufmerksam einschaltete, sobald man sich ihm näherte, schienen einen ständig zu beobachten. Dies geschah mittels eines Bewegungssensors. Der Computer "vermutete" dann die Anwesenheit einer Person und wollte diese mit seinen lockeren Sprüchen (in englisch) an das Spielbrett locken. In Deutschland war der Phantom Chesster nicht erhältlich, konnte aber über das Schachcomputer-Spezialgeschäft "Elektroschach", von Heide Ketterling aus Berlin, bezogen werden. Der Preis bewegte sich -je nach Dollarkursbei ca. 1.800,-- bis 1.900,-- DM. Meines Wissens kann ein (deutschsprechender!) Phantom Chesster sogar im Deutschen Museum in München bewundert werden.

In Übersee erschienen im Laufe des Jahres 1992 noch folgende Geräte, die ich mangels weiterer Informationen nachfolgend nur jeweils kurz behandeln möchte:

Chess Card
  • Mephisto Miami (Drucksensorbrett in kräftigen Farben und LCD-Display)
Chess Pal

Neben den Schachcomputern waren auch noch Backgammon- und Bridge-Computer sowie diverse Gesellschafts- und Reaktionsspiele (Matchmaker, Hit Klack, Go Mental) im Angebot vertreten. Die Preise für diese Geräte (in US-Dollar) entziehen sich leider meiner Kenntnis.

Wenden wir uns wieder dem deutschen Markt zu: Bis Ende 1992 wurden bis auf den Kishon Chesster sämtliche Fidelity Modelle aus dem Mephisto-Lieferprogramm entfernt.

Die deutsche "Muttergesellschaft" hatte nämlich in der Zwischenzeit ganz andere Probleme. Die Nachricht war schockierend und in fast allen Tageszeitungen zu lesen: Die Hegener + Glaser AG hatte am Donnerstag, den 28.1.1993 Vergleichsantrag gestellt! Dem Vergleichsantrag waren lt. Vorstandsprecher Manfred Hegener zunächst längere Zeit erfolglose Verhandlungen über den Verkauf eines Mehrheitsanteils an die Curam Holding AG Zug (Schweiz) vorausgegangen. Ein Unternehmen, dass mittlerweile selbst in eine finanzielle Schieflage geraten war. Der Grund für die Misere lag in der Übernahme von Fidelity. Die Fehleinschätzung der mit der Übernahme verbundenen Möglichkeiten und Gefahren hatte letztendlich sehr viel Geld gekostet. Genauer gesagt 28 Millionen DM, so dass Ende 1992 die Schließung von Fidelity in den USA erforderlich war. Hierzu betonte Manfred Hegener ausdrücklich, dass es sich um keinen Konkurs handelte und die Rechte von Fidelity an die amerikanische Firma Quantum übergegangen seien.

Das ganze Ausmaß der Misere kam nun nach und nach an`s Tageslicht. Es wurde von "frisierten Bilanzzahlen" seitens Fidelity gesprochen, da die Geschäfte der amerikanischen Tochter nach der Übernahme drastisch zurückgingen, diese negative Entwicklung aber dem Vorstand der Hegener + Glaser AG lange Zeit verborgen blieb. Als diese Umstände Mitte des Jahres 1991 publik wurden, musste Sid Samole seinen Hut als Geschäftsführer nehmen. An seine Stelle trat der Hegener + Glaser-Vorstand Dr. Prommer, der als international erfahrener Manager im Vorfeld auch den Kauf von Fidelity mit einfädelte. Nachdem sich nach dessen Ernennung eine Verbesserung der Lage in den USA nicht abzeichnete, schaltete sich Manfred Hegener im März 1992 persönlich mit ein. Dr. Alfred Prommer wurde kurz darauf aufgrund "schwerwiegender Eigenmächtigkeiten und Fehlleistungen", so die offizielle Begründung entlassen. Bei der Hauptversammlung der Hegener + Glaser AG wurde ihm ferner keine Entlastung erteilt. Ein Aktionär kündigte sogar Strafanzeige wegen Betruges gegen ihn sowie Sid Samole an.

Ein kurz darauf folgendes Übernahmeangebot seitens der Fa. Saitek der Schweizer Industriellen-Familie Eric Winkler wurde zunächst ebenfalls abgelehnt (wie bereits zuvor bei der Curam Holding AG). Nachdem der Vergleichsantrag von der Mehrheit aller Beteiligten (Gläubiger, Banken) akzeptiert wurde, setzte die Hegener + Glaser AG nach Auslagerung einiger Geschäftsfelder Ihre Geschäftstätigkeit fort. Da aber auch 1993 kein Ende der Finanznöte abzusehen war und sich ein Bilanzverlust in Millionenhöhe abzeichnete, entschloss man sich zu neuen Vertragsverhandlungen mit der Fa. Saitek. Am Mittwoch, den 19.01.1994 um 16 Uhr wurde dann die Unterschrift unter den "Investitions- und Beteiligungsvertrag" gesetzt, was bedeutete, dass die Hegener + Glaser AG mehrheitlich in den Besitz der Fa. Saitek überging.

Damit ging eine Ära zu Ende...

Die Fa. Fidelity Electronics Ltd., welche die "Muttergesellschaft" Hegener + Glaser AG fast mit in den finanziellen Abgrund gerissen hätte, ist mittlerweile vom Schachcomputermarkt vollständig verschwunden. Die Produkte dieser Firma, die vielen von uns schon spannende, unterhaltsame und lehrreiche Stunden bereitet haben, sind aber heute noch weltweit in unzählig vielen Kartons. Schubladen oder Schränken zu finden, oder irre ich mich da etwa?

Kontakt

Alwin Gruber

alwin.gruber@googlemail.com